James Bond 01 - Casino Royale (German Edition)
Bond erhob sich angemessen überrumpelt. »Sind Sie etwa alleine hier? Warten Sie auf jemanden? Darf ich Ihnen meine Kollegin vorstellen, Mademoiselle Lynd? Meine Liebe, das ist der Herr aus Jamaika, mit dem ich die Ehre hatte, heute Morgen Geschäfte zu machen.«
Bond nickte mit reservierter Freundlichkeit. »Es ist mir ein großes Vergnügen«, sagte er zu der Frau. »Ich bin tatsächlich alleine hier. Möchten Sie sich mir anschließen?« Er zog einen Stuhl hervor, und während sie sich hinsetzten, winkte er einen Kellner herbei und bestand trotz Mathis’ Einspruch darauf, die Getränke zu bestellen – einen »Fine à l’eau« für Mathis und einen Bacardi für die Dame.
Mathis und Bond unterhielten sich angeregt über das schöne Wetter und die Aussicht auf eine Wiederbelebung von Royale-les-Eaux. Die junge Frau sagte nichts. Sie nahm eine von Bonds Zigaretten an, betrachtete sie eingehend und rauchte sie dann genüsslich und ohne Getue. Sie sog den Rauch mit einem leisen Seufzen tief in ihre Lunge ein und atmete ihn dann lässig durch Lippen und Nase wieder aus. Ihre Bewegungen waren ökonomisch und präzise, ohne eine Spur von Unsicherheit.
Bond war sich ihrer Gegenwart enorm bewusst. Während er mit Mathis sprach, drehte er sich gelegentlich zu ihr um und bezog sie höflich in ihre Unterhaltung mit ein. Mit jedem Blick konnte er weitere Eindrücke sammeln.
Ihr Haar war tiefschwarz, und gerade geschnitten, sodass es ihr Gesicht bis zu ihrer eleganten Kinnlinie einrahmte. Auch wenn es üppig war und ihren Kopfbewegungen folgte, strich sie es sich nicht ständig zurück, sondern ließ es ganz natürlich fallen. Ihre dunkelblauen Augen standen recht weit auseinander und sie blickte Bond immer wieder mit einem Hauch ironischen Desinteresses an, das er, wie er verärgert feststellte, am liebsten gewaltsam zerschlagen wollte. Ihre Haut war leicht sonnengebräunt und bis auf ihren Mund, der breit und sinnlich war, ungeschminkt. Ihre nackten Arme und Hände wirkten ruhig, und der allgemeine Eindruck von Zurückhaltung wurde sogar von ihren Fingernägeln unterstützt, die kurz und unlackiert waren. Um den Hals trug sie eine einfache Goldkette mit breiten, flachen Gliedern, und am Ringfinger der rechten Hand steckte ein Ring mit einem großen Topas. Ihr mittellanges Kleid war aus grauer Wildseide mit einem gerade geschnittenen Oberteil, das sich lasziv über ihren wohlgeformten Brüsten spannte. Der Rock war plissiert und floss von einer schmalen, aber nicht dürren Taille herab. Sie trug einen sieben Zentimeter breiten schwarzen Gürtel. Auf dem Stuhl neben ihr lagen eine handbestickte schwarze Handtasche und ein Wagenradhut aus Stroh, dessen Kopfteil von einem dünnen schwarzen Samtband geschmückt wurde, das auf der Rückseite zu einer kleinen Schleife gebunden war. Ihre Schuhe hatten eine gerade Spitze und bestanden aus einfachem schwarzem Leder.
Bond war von ihrer Schönheit und Gelassenheit fasziniert. Die Aussicht auf eine Zusammenarbeit mit ihr erregte ihn. Gleichzeitig verspürte er ein unbestimmtes Unbehagen. Vorsichtshalber klopfte er auf Holz.
Mathis bemerkte, dass Bond mit den Gedanken woanders war. Nach einer gewissen Zeit erhob er sich.
»Bitte entschuldigen Sie mich einen Augenblick«, sagte er zu der jungen Frau. »Ich muss die Dubernes anrufen, um mich mit ihr zum Abendessen zu verabreden. Es macht Ihnen doch nichts aus, den heutigen Abend allein zu verbringen?«
Sie schüttelte den Kopf.
Bond griff das Stichwort auf, und als Mathis zur Telefonkabine neben der Bar gegangen war, sagte er: »Wenn Sie heute noch nichts anderes vorhaben, würden Sie dann mit mir essen?«
Sie lächelte ihn mit einem verschwörerischen Funkeln in den Augen an. »Aber ja«, erwiderte sie, »und dann würde ich Sie gerne ins Casino begleiten, wo Sie sich laut Mathis ganz wie zu Hause fühlen. Vielleicht bringe ich Ihnen ja Glück.«
Jetzt, da Mathis fort war, lag in ihrem Verhalten ihm gegenüber eine plötzliche Wärme. Sie schien anzuerkennen, dass sie ein Team waren, und während sie Zeit und Ort ihres Treffens diskutierten, wurde Bond klar, dass es doch recht einfach sein würde, die Einzelheiten seines Projekts mit ihr zu besprechen. Er hatte das Gefühl, dass sie schließlich doch noch Interesse und Spaß an ihrer Rolle gefunden hatte und bereitwillig mit ihm zusammenarbeiten würde.
Er hatte es sich viel schwieriger vorgestellt, übereinzukommen, doch nun war er der Meinung, dass man direkt zu den
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