James Bond 01 - Casino Royale (German Edition)
Einzelheiten des Auftrags übergehen konnte. Er war sich der Scheinheiligkeit seiner Einstellung ihr gegenüber durchaus bewusst: Er wollte mit ihr schlafen. Aber erst, wenn die Mission vorbei war.
Als Mathis wieder an den Tisch zurückkehrte, bat Bond um die Rechnung. Er erklärte, dass er in seinem Hotel erwartet wurde, um mit Freunden zu Mittag zu essen. Als er für einen Augenblick ihre Hand in seiner hielt, spürte er eine warme Zuneigung zwischen ihnen, die er vor einer halben Stunde nicht für möglich gehalten hätte.
Ihr Blick folgte ihm auf die Straße hinaus.
Mathis schob seinen Stuhl näher an ihren und sagte leise: »Er ist ein sehr guter Freund. Ich bin froh, dass Sie beide sich kennengelernt haben. Ich kann bereits spüren, wie die Eisschollen auf beiden Flüssen aufbrechen.« Er lächelte. »Ich glaube nicht, dass Bond jemals zuvor geschmolzen ist. Es wird für ihn eine neue Erfahrung sein. Und für Sie auch.«
Sie antwortete nicht direkt.
»Er sieht sehr gut aus. Er erinnert mich an Hoagy Carmichael, aber es liegt auch etwas Kaltes und Skrupelloses in seinem …«
Der Satz wurde nie beendet. Plötzlich zersprang ein paar Meter entfernt die gesamte Fensterscheibe in kleine Splitter. Sie wurden von der Druckwelle einer gewaltigen Explosion erfasst und gegen ihre Stühle gedrückt. Einen Augenblick lang herrschte entsetztes Schweigen. Ein paar Gegenstände fielen draußen auf den Bürgersteig. Eine Flasche nach der anderen stürzte aus dem Regal hinter der Bar. Dann ertönten Schreie, und eine panische Flucht zur Tür begann.
»Bleiben Sie hier«, sagte Mathis.
Er stieß seinen Stuhl zurück und sprang durch den leeren Fensterrahmen auf die Straße.
ZWEI MÄNNER MIT STROHHÜTEN
Nachdem Bond die Bar verlassen hatte, ging er zielstrebig den mit Bäumen gesäumten Boulevard entlang zu seinem nicht weit entfernten Hotel. Er war hungrig.
Der Tag war immer noch wunderschön, aber inzwischen brannte die Sonne sehr heiß, und nur die in Abständen von etwa sechs Metern auf dem Rasenstück zwischen Gehsteig und Straße gepflanzten Platanen spendeten kühlen Schatten.
Draußen waren nur wenige Leute unterwegs, und die beiden Männer, die auf der anderen Straßenseite unter einem Baum standen, wirkten seltsam deplatziert.
Bond bemerkte sie, als er noch etwa neunzig Meter entfernt war und die gleiche Distanz zwischen ihnen und dem kunstvoll verzierten Eingangstor des Splendide lag.
Sie hatten etwas äußerst Beunruhigendes an sich. Beide waren klein und trugen ähnliche dunkle, und wie Bond fand, viel zu warm aussehende Anzüge. Sie wirkten wie Darsteller in einer Varieténummer auf dem Weg ins Theater. Jeder der beiden trug einen Strohhut mit einem dicken schwarzen Band – vielleicht als Zugeständnis an die Urlaubsatmosphäre des Ortes. Und die Krempen sorgten in Kombination mit dem Schatten des Baumes, unter dem sie standen, dafür, dass ihre Gesichter nicht zu erkennen waren. Unpassenderweise wurden die beiden düsteren, gedrungenen Gestalten von einem Hauch greller Farbe begleitet. Jeder von ihnen hatte eine große Kameratasche über der Schulter hängen.
Eine davon war hellrot, die andere hellblau.
Bis Bond all diese Einzelheiten aufgenommen hatte, war er nur noch knapp fünfzig Meter von ihnen entfernt. Er dachte gerade über die Reichweiten verschiedener Waffen und die Möglichkeit, Deckung zu finden, nach, als sich vor ihm eine außergewöhnliche und schreckliche Szene abspielte.
Der Mann mit der roten Tasche schien dem mit der blauen zuzunicken. Mit einer schnellen Bewegung zog der Blaue seine Kameratasche von der Schulter. Was er dann tat, konnte Bond nicht genau erkennen, da ihm genau in diesem Augenblick ein Baum die Sicht versperrte. Aber der Mann schien sich vorzubeugen und die Tasche zu öffnen. Dann gab es plötzlich einen blendend weißen Lichtblitz und eine ohrenbetäubende Explosion. Trotz des Schutzes durch den Baumstamm wurde Bond von einer Druckwelle aus heißer Luft zu Boden geworfen, die sich anfühlte, als hätte man ihm ins Gesicht und in den Magen geschlagen. Wie betäubt lag er auf dem Bürgersteig und starrte in den Himmel, während die Explosion in seinen Ohren immer weiter nachhallte, als ob jemand das Bassregister eines Klaviers mit einem Vorschlaghammer bearbeiten würde.
Als er sich schließlich wieder auf ein Knie erhoben hatte, begann ein entsetzlicher Regen aus Fleischstücken und Fetzen blutgetränkter Kleidung vermischt mit Zweigen und Blättern auf ihn
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