James Bond 01 - Casino Royale (German Edition)
Sie sollten jeden Tag gefoltert werden. Ich muss daran denken, heute Abend etwas Böses zu tun. Ich muss sofort damit anfangen. Ich habe noch einige Dinge zu erledigen – leider nur Kleinigkeiten«, fügte er reumütig hinzu – »aber ich werde schnell arbeiten, nun, da ich Erleuchtung erfahren habe. Ich werde eine großartige Zeit haben. Mal sehen, womit soll ich anfangen: Mord, Brandstiftung, Vergewaltigung? Nein, das sind Kavaliersdelikte. Ich muss unbedingt den guten Marquis de Sade um Rat fragen. Ich bin in diesen Dingen wahrlich so unerfahren wie ein Kind.«
Er machte ein langes Gesicht.
»Ah, aber unser Gewissen, mein lieber Bond. Was sollen wir damit anstellen, während wir eine deftige Sünde begehen? Das ist das Problem. Dieses Gewissen ist ein gewieftes Kerlchen und sehr alt, so alt wie die erste Affenfamilie, die es gebar. Wir müssen sehr genau über dieses Problem nachdenken, sonst wird es uns den ganzen Spaß verderben. Natürlich sollten wir unser Gewissen als Erstes ermorden, aber es ist ein zäher Bursche. Es wird schwierig, doch wenn es uns gelingt, könnten wir sogar noch schlimmer sein als Le Chiffre.
Für Sie, mein lieber James, ist es leicht. Sie können anfangen, indem Sie aus dem Dienst austreten. Das war eine brillante Idee von Ihnen, ein ausgezeichneter Start in Ihre neue Karriere. Und so einfach. Jeder hat den Revolver des Rücktritts in seiner Tasche. Alles, was man tun muss, ist, den Abzug zu betätigen, und schon bläst man gleichzeitig ein großes Loch in sein Land und in sein Gewissen. Ein Mord und ein Selbstmord mit einer einzigen Kugel! Ausgezeichnet! Was für ein schwieriger und glorreicher Beruf. Was mich angeht, so muss ich diesen neuen Weg sofort einschlagen.«
Er sah auf seine Uhr.
»Gut. Ich habe bereits damit angefangen. Ich bin eine halbe Stunde zu spät für das Treffen mit dem Polizeichef.«
Er erhob sich lachend.
»Das war äußerst unterhaltsam, mein lieber James. Damit sollten Sie sich wirklich an die Öffentlichkeit wenden. Was Ihr kleines Problem angeht, diese Sache, dass Sie gute Menschen nicht von schlechten unterscheiden können und so weiter. Abstrakt betrachtet ist das natürlich ein kompliziertes Problem. Das Geheimnis liegt in der persönlichen Erfahrung, ob man nun Russe oder Engländer ist.«
An der Tür hielt er kurz inne.
»Sie geben zu, dass Le Chiffre Ihnen persönlich etwas Böses angetan hat und dass Sie ihn töten würden, wenn er jetzt vor Ihnen auftauchen würde?
Nun, wenn Sie nach London zurückkehren, werden Sie feststellen, dass es noch weitere Le Chiffres gibt, die danach trachten, Sie, Ihre Freunde und Ihr Land zu zerstören. M wird Ihnen davon berichten. Und jetzt, da Sie einen wirklich bösen Mann gesehen haben, werden Sie wissen, wie böse sie sein können, und Sie werden sie verfolgen und eliminieren, um sich selbst und die Menschen, die Sie lieben, zu beschützen. Sie werden nicht innehalten, um darüber zu diskutieren. Sie wissen jetzt, wie sie aussehen und was sie anderen Menschen antun können. Sie werden bezüglich der Aufträge, die Sie annehmen, vielleicht ein wenig wählerischer sein. Sie werden womöglich sichergehen wollen, dass die Zielperson wirklich böse ist, aber es gibt eine Menge böser Zielpersonen auf dieser Welt. Es gibt immer noch genug für Sie zu tun. Und Sie werden es tun. Und wenn Sie sich verlieben und eine Geliebte oder eine Ehefrau und Kinder haben, um die Sie sich kümmern müssen, wird Ihnen das alles viel leichter erscheinen.«
Mathis öffnete die Tür und blieb auf der Schwelle stehen.
»Umgeben Sie sich mit Menschen, mein lieber James. Für sie lässt es sich leichter kämpfen als für Prinzipien.«
Er lachte. »Aber enttäuschen Sie mich ja nicht, indem Sie selbst menschlich werden. Dadurch würden wir eine wundervolle Maschine verlieren.«
Er winkte ihm kurz zu und schloss die Tür.
»Hey!«, rief Bond.
Doch die Schritte liefen eilig den Flur entlang.
VESPER
Am nächsten Tag bat Bond darum, Vesper sehen zu dürfen. Bisher hatte er sie nicht sehen wollen. Man hatte ihm erzählt, dass sie jeden Tag ins Sanatorium gekommen war und sich nach ihm erkundigt hatte. Außerdem hatte sie Blumen geschickt. Bond mochte keine Blumen und hatte die Krankenschwester gebeten, sie einem anderen Patienten zu geben. Nachdem er es ein zweites Mal getan hatte, kamen keine Blumen mehr. Bond hatte sie nicht beleidigen wollen. Doch er mochte es einfach nicht, weibliche Dinge um sich herum zu haben. Blumen
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