James Bond 05 - Liebesgrüße aus Moskau (German Edition)
Wir haben Sie bereits in Belgrad erwartet, alter Knabe. Wir wussten, dass Sie Ihren Vorgesetzten anrufen würden – oder die Botschaft oder sonst wen. Wir haben das Telefon dieses Jugoslawen seit Wochen abgehört. Zu schade, dass wir das Codewort nicht verstanden haben, das er nach Istanbul durchgab. Ansonsten hätten wir vielleicht das große Feuerwerk verhindern oder wenigstens ein paar unserer Leute retten können. Aber Sie waren das Hauptziel, alter Knabe, und wir hatten Sie am Haken. Sobald Sie in der Türkei aus dem Flugzeug gestiegen waren, saßen Sie schon in der Falle. Es blieb nur noch die Frage, wann wir sie zuschnappen lassen sollten.« Nash warf erneut einen Blick auf seine Uhr. Er sah auf. Seine Zähne schimmerten lila. »Schon sehr bald, alter Knabe. Jetzt sind es nur noch fünfzehn Minuten.«
Wir wussten, dass SMERSCH gut ist, dachte Bond. Aber wir wussten nicht, dass sie so gut sind. Dieses Wissen war entscheidend. Er musste es irgendwie an den Secret Service weiterleiten. Er
musste
. Bonds Verstand raste, während er die Einzelheiten seines armseligen und verzweifelten Plans durchging.
»SMERSCH scheint das alles ziemlich gut durchdacht zu haben«, sagte er. »Muss eine Menge Aufwand gewesen sein. Es gibt da nur eine Sache ...« Bond ließ den Satz unvollendet in der Luft hängen.
»Und die wäre, alter Knabe?« Nash, der an seinen Bericht dachte, war aufmerksam.
Der Zug wurde langsamer. Domodossola. Die italienische Grenze. Was war mit dem Zoll? Doch dann fiel es Bond wieder ein. Für die Kurswagen würde es keine weiteren Formalitäten geben, bis sie Frankreich erreichten. Und die Schlafwagen würden selbst dann nicht kontrolliert werden. Diese Expresszüge fuhren geradewegs durch die Schweiz. Nur die Leute, die in Brig oder Lausanne ausstiegen, mussten an den Bahnhöfen die Zollstationen passieren.
»Nun kommen Sie schon, alter Knabe.« Nash hatte den Köder offenbar geschluckt.
»Nicht ohne eine Zigarette.«
»Okay. Meinetwegen. Aber wenn Sie auch nur eine falsche Bewegung machen, sind Sie tot.«
Bond ließ seine rechte Hand in seine Gesäßtasche gleiten. Er zog sein breites metallenes Zigarettenetui heraus. Öffnete es. Nahm eine Zigarette heraus. Holte sein Feuerzeug aus seiner Hosentasche. Zündete die Zigarette an und steckte das Feuerzeug wieder weg. Das Zigarettenetui ließ er neben dem Buch auf seinem Schoß liegen. Er legte seine linke Hand beiläufig auf das Buch und das Etui, um zu verhindern, dass sie von seinem Schoß rutschten. Er paffte seine Zigarette. Wenn es doch nur eine Trickzigarette gewesen wäre – eine mit einer Magnesiumflamme oder etwas, das er diesem Mann ins Gesicht werfen konnte! Wenn sein Geheimdienst doch nur diese explosiven Spielzeuge benutzen würde! Aber wenigstens hatte er sein Ziel erreicht und war dabei nicht erschossen worden. Das war immerhin ein Anfang.
»Sehen Sie.« Bond beschrieb in der Luft einen Kreis mit seiner Zigarette, um Nashs Aufmerksamkeit von sich abzulenken. Seine linke Hand schob das flache Zigarettenetui zwischen die Buchseiten. »Sehen Sie, das ist ja alles gut und schön, aber was ist mit Ihnen? Was werden Sie machen, sobald wir den Simplontunnel wieder verlassen? Der Schaffner weiß, dass Sie mit uns zu tun hatten. Man wird sofort hinter Ihnen her sein.«
»Ach das.« Nashs Stimme klang wieder gelangweilt. »Sie scheinen nicht bedacht zu haben, dass die Russen diese Dinge sehr genau planen. Ich steige in Dijon aus und nehme ein Auto nach Paris. Da tauche ich dann unter. Ein kleines Geheimnis um einen ‚Dritten Mann‘ wird der Story nicht schaden. Meine Beteiligung an der ganzen Sache wird sich erst später herausstellen, wenn sie die zweite Kugel aus Ihnen herausholen und die dazugehörige Waffe nicht finden können. Dann werden sie mich nicht mehr einholen. Tatsächlich habe ich morgen Mittag eine Verabredung – Zimmer 204 im Ritz, wo ich Rosa Bericht erstatten werde. Sie will die Lorbeeren für diesen Auftrag einheimsen. Dann verwandle ich mich in ihren Chauffeur, und wir fahren nach Berlin. Wenn ich so darüber nachdenke, alter Knabe«, eine Emotion schlich sich in die tonlose Stimme, und sie klang plötzlich gierig, »könnte sie sogar den Leninorden für mich in der Tasche haben. Eine nette Belohnung, wie es heißt.«
Der Zug setzte sich wieder in Bewegung. Bonds Körper spannte sich an. In ein paar Minuten würde es so weit sein. Was für eine Art zu sterben, wenn er denn tatsächlich sterben würde. Durch seine
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