James Bond 05 - Liebesgrüße aus Moskau (German Edition)
südlich des roten Leuchtens, das Moskau darstellte.
Er war ganz oben angelangt, oberster Scharfrichter von SMERSCH – und damit auch der ganzen Sowjetunion. Wonach sollte er jetzt noch streben? Nach einer weiteren Beförderung? Nach mehr Geld? Mehr goldenem Schnickschnack? Wichtigeren Zielen? Besseren Techniken?
Es schien nicht mehr viel zu geben, was er noch anstreben konnte. Oder gab es vielleicht in einem anderen Land noch einen anderen Mann, von dem er noch nie gehört hatte und der noch ausgeschaltet werden musste, bevor er die absolute Überlegenheit für sich beanspruchen durfte?
DIE MOGULE DES TODES
Bei SMERSCH handelt es sich um die offizielle Mordorganisation der sowjetischen Regierung. Sie operiert sowohl im In- als auch im Ausland und beschäftigte im Jahr 1955 etwa vierzigtausend Männer und Frauen. SMERSCH ist die Kurzform von »Smert Schpionam«, was »Tod den Spionen« bedeutet. Der Name wird nur von ihren Mitarbeitern und sowjetischen Funktionären gebraucht. Kein normales Bevölkerungsmitglied wäre so dumm, das Wort auszusprechen.
Das Hauptquartier von SMERSCH ist ein sehr großes und hässliches Gebäude auf der Sretenka Ulitsa. Es ist die Hausnummer 13 auf dieser langen trübseligen Straße, und Passanten behalten ihren Blick besser auf dem Boden, wenn sie an den beiden mit Maschinengewehren bewaffneten Wachleuten vorübergehen, die auf den breiten Stufen vor der großen eisernen Doppeltür stehen. Wenn es ihnen rechtzeitig einfällt und sie es unauffällig tun können, wechseln sie häufig auch die Straßenseite.
Die Leitung von SMERSCH sitzt im zweiten Stock. Das wichtigste Zimmer im zweiten Stock ist ein sehr großer heller Raum. Er ist in einem hellen Olivgrün gestrichen, dem gemeinsamen Nenner aller Regierungsbüros dieser Welt. Gegenüber der schallgeschützten Tür befinden sich zwei breite Fenster, die den Hof auf der Rückseite des Gebäudes überblicken. Der Boden ist mit einem farbenprächtigen kaukasischen Teppich bester Qualität ausgelegt. In einer Ecke steht ein massiver Eichenholzschreibtisch, dessen Oberfläche mit rotem Samt unter einer dicken Glasplatte bedeckt ist.
Auf der linken Seite des Schreibtischs sind die Ein- und Ausgangskörbe für die Post und auf der rechten vier Telefone.
Davor steht ein Besprechungstisch, der mit dem Schreibtisch ein T bildet und sich diagonal in den Raum erstreckt. Daran stehen acht rote Lederstühle. Dieser Tisch ist ebenfalls mit rotem Samt bezogen, hat jedoch keine schützende Glasplatte. Darauf stehen Aschenbecher und zwei schwere Wasserkaraffen mitsamt Gläsern.
An den Wänden hängen vier große Bilder in goldenen Rahmen. 1955 zeigen sie ein Porträt von Stalin über der Tür, eins von Lenin zwischen zwei Fenstern sowie eins von Bulganin. Dort, wo bis zum 13. Januar 1954 ein Porträt von Beria hing, befand sich stattdessen ein Bild von General Iwan Alexandrowitsch Serow, dem Vorsitzenden des KGBs.
Unter dem Porträt von Bulganin steht in einem schön polierten Eichenholzkabinett ein großer
Televisor
oder Fernseher. Darin verborgen ist ein Tonbandgerät, das vom Schreibtisch aus angeschaltet werden kann. Das Mikrofon für die Aufnahme erstreckt sich unter dem ganzen Besprechungstisch, und seine Anschlüsse sind in den Beinen des Tischs verborgen. Neben dem Televisor befindet sich eine kleine Tür, die zu einer persönlichen Toilette und einem kleinen Vorführraum führt, in dem geheime Filme gezeigt werden können.
Unter dem Porträt von General Serow steht ein Bücherregal, in dessen obersten Fächern die Werke von Marx, Engels, Lenin und Stalin stehen sowie, etwas zugänglicher, Bücher in allen Sprachen über Spionage, Gegenspionage, Polizeimethoden und Kriminologie. An der Wand neben dem Bücherregal steht ein langer schmaler Tisch, auf dem sich ein Dutzend großer in Leder gebundener Alben mit goldgeprägten Daten auf den Titeln befinden. Diese enthalten Fotos sowjetischer Bürger und Ausländer, die von SMERSCH umgebracht worden sind.
Ungefähr zur gleichen Zeit als Grant auf dem Tuschino-Flughafen landete, gegen dreiundzwanzig Uhr dreißig, stand ein brutal aussehender, untersetzter Mann an diesem Tisch und ging das Album von 1954 durch.
Generaloberst Grubozaboischikow, der Leiter von SMERSCH, der im Gebäude als »G.« bekannt war, trug eine schneidige khakifarbene Uniformformjacke mit Stehkragen und dazu dunkelblaue Breeches mit zwei dünnen roten Streifen an der Seite. Die Hose endete in Reitstiefeln aus weichem,
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