James Bond 05 - Liebesgrüße aus Moskau (German Edition)
Tod im Vertrauen erzählt hatte, dass es General G. weit bringen würde. In dieser Prophezeiung hatte nicht viel Geheimnisvolles gelegen, dachte Wosdwischenski nun. Beria hatte G. nicht ausstehen können, ihn stets am Aufstieg gehindert und ihn von der Hauptleiter der Macht in eine kleinere Abteilung abgedrängt, dem damaligen Ministerium für Staatssicherheit, das Beria nach Stalins Tod schnell als Ministerium abgeschafft hatte. Bis 1952 war G. Stellvertreter einer führenden Person dieses Ministeriums gewesen. Als das Amt abgeschafft wurde, setzte er seine Energie ein, um den Sturz Berias vorzubereiten. Dies tat er unter dem geheimen Befehl von General Serow, dessen Ruf ihn sogar für Beria unerreichbar machte.
Serow, ein Held der Sowjetunion und ein Veteran der berühmten Vorgänger des MGBs – die Tscheka, der GPU, das NKDW und das MWD –, war in jeder Hinsicht ein größerer Mann als Beria. Er persönlich hatte hinter den Massenexekutionen der 1930er gesteckt, als eine Million Menschen gestorben waren, er war der
metteur en scène
der meisten großen Moskauer Schauprozesse gewesen, er hatte den blutigen Genozid im Zentralkaukasus im Februar 1944 veranlasst, und er war es gewesen, der die Massendeportationen aus den baltischen Staaten angeregt hatte sowie die Entführungen der deutschen Atom- und anderer Wissenschaftler, die Russland nach dem Krieg seinen großen technischen Fortschritt verschafft hatten.
Also hatten Beria und sein Hofstaat über die Klinge springen müssen, während man General G. als Belohnung SMERSCH gegeben hatte. Und Armeegeneral Iwan Serow herrschte nun mit Bulganin und Chruschtschow über Russland. Eines Tages würde er vielleicht sogar allein an der Spitze stehen. Allerdings, dachte Generalleutnant Wosdwischenski, während er kurz zu dem glänzenden, an eine Billardkugel erinnernden Schädel sah, würde General G. nicht allzu weit unter ihm stehen.
Der Schädel hob sich, und die kalten Glubschaugen blickten über den Tisch hinweg direkt in Generalleutnant Wosdwischenskis Augen. Diesem gelang es, den Blick ruhig zu erwidern und sogar noch einen Hauch Geringschätzung hineinzulegen.
Der Kerl ist ein stilles Wasser, dachte General G. Wollen wir doch mal den Scheinwerfer auf ihn richten und herausfinden, wie er sich schlägt.
»Genossen«, Gold blitzte auf, als er breit grinste, »seien wir nicht zu bestürzt. Selbst der höchste Baum hat an seinem Fuß eine Axt liegen. Wir haben unsere Abteilungen niemals für so erfolgreich gehalten, um über jede Kritik erhaben zu sein. Was mir aufgetragen wurde, Ihnen zu sagen, wird für keinen von uns eine Überraschung gewesen sein. Also lassen Sie uns die Herausforderung guten Mutes annehmen und zum Geschäftlichen kommen.«
Niemand am Tisch machte sich die Mühe, auf diese hohlen Phrasen zu antworten. General G. hatte das auch nicht erwartet. Er zündete sich eine Zigarette an und fuhr fort.
»Ich sagte, dass wir gleich hier eine Empfehlung für eine Terrormaßnahme aussprechen sollten und eine unserer Abteilungen – zweifellos meine eigene – wird dann aufgefordert sein, diese auszuführen.«
Ein kaum hörbares erleichtertes Aufatmen machte die Runde. Zumindest wäre damit SMERSCH die verantwortliche Abteilung! Das war doch schon etwas.
»Aber die Wahl eines Ziels wird keine leichte Aufgabe, und unsere gemeinsame Verantwortung für die richtige Entscheidung wird eine schwere sein.«
Weich-hart, hart-weich. Nun war der Ball wieder in ihrer Hälfte.
»Es geht nicht einfach nur darum, ein Gebäude in die Luft zu sprengen oder einen Ministerpräsidenten zu erschießen. Solch bourgeoiser Unfug kommt nicht in Betracht. Unsere Operation muss raffiniert sein und direkt ins Herz des Geheimdienstapparats des Westens zielen. Sie muss dem Feind erheblichen Schaden zufügen – einen verborgenen Schaden, von dem die Öffentlichkeit vielleicht niemals erfährt, der aber die Gespräche in Regierungskreisen beherrschen wird. Doch sie muss außerdem einen öffentlichen Skandal verursachen, der so vernichtend ist, dass die Welt sich die Lippen lecken und über die Schande und Dummheit unserer Feinde höhnisch lachen kann. Natürlich werden die Regierungen wissen, dass es eine sowjetische
konspiratsia
war. Das ist gut. Es wird ein Teil der »harten« Politik sein. Und die Agenten und Spione des Westens werden es ebenfalls wissen, und sie werden über unsere Schlauheit staunen und vor ihr erzittern. Unsere eigenen Agenten wird diese Demonstration unserer
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