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James Bond 05 - Liebesgrüße aus Moskau (German Edition)

James Bond 05 - Liebesgrüße aus Moskau (German Edition)

Titel: James Bond 05 - Liebesgrüße aus Moskau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Fleming
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Emotion. »... erinnert in einigen Punkten an den Fall Stolzenberg. Falls Sie sich entsinnen, Genosse General, ging es dabei ebenfalls darum, einen Ruf und gleichzeitig ein Leben zu zerstören. In jenem Fall war die Angelegenheit einfach. Der Spion war ein Perverser. Wenn Sie sich erinnern ...«
    Kronsteen hörte nicht weiter zu. Er kannte all diese Fälle. Er hatte sich bei den meisten von ihnen um die Planung gekümmert, und sie waren genauso in seinem Gedächtnis abgespeichert wie all die vielen Schachzüge. Stattdessen betrachtete er mit geschlossenen Ohren das Gesicht dieser schrecklichen Frau und fragte sich beiläufig, wie viel länger sie ihre Arbeit noch machen würde – und wie viel länger er demnach noch mit ihr zusammenarbeiten müsste.
    Schrecklich? Kronsteen interessierte sich nicht für Menschen – nicht einmal für seine eigenen Kinder. Auch Einordnungen wie »gut« und »böse« bedeuteten für ihn nichts. Für ihn waren alle Menschen Schachfiguren. Er war allein an ihren Reaktionen auf die Züge der anderen Figuren interessiert. Um ihre Reaktionen vorherzusagen, was den Großteil seiner Aufgabe ausmachte, musste man ihre individuellen Eigenschaften verstehen. Ihre Grundinstinkte waren unveränderlich. Selbsterhaltung, Sex und der Herdentrieb – in dieser Reihenfolge. Ihre Temperamente konnten lebhaft, stoisch, cholerisch oder melancholisch sein. Das Temperament eines Individuums entschied größtenteils über die verhältnismäßige Stärke seiner Emotionen und seiner Stimmungen. Der Charakter hing in erster Linie von der Erziehung ab und, egal was Pawlow und die Behavioristen auch behaupten mochten, bis zu einem gewissen Grad auch vom Charakter der Eltern. Und natürlich wurden das Leben und die Verhaltensweisen der Menschen auch teilweise von körperlichen Stärken und Schwächen geprägt.
    Und mit diesen grundlegenden, wissenschaftlichen Klassifikationen im Hinterkopf betrachtete Kronsteens kaltes Gehirn die Frau am anderen Ende des Tisches. Er schätzte sie nun schon zum hundertsten Mal ein, doch nun lagen viele Wochen der gemeinsamen Arbeit vor ihnen, daher konnte er sein Gedächtnis ebenso gut auffrischen, damit ihn ein plötzliches Eindringen eines menschlichen Elements in ihre Partnerschaft nicht überrumpeln würde.
    Natürlich hatte Rosa Klebb einen starken Überlebenswillen, sonst wäre sie wohl kaum eine der mächtigsten und zweifellos am meisten gefürchteten Frauen des Staates geworden. Ihr Aufstieg, erinnerte sich Kronsteen, hatte mit dem spanischen Bürgerkrieg begonnen. Damals war sie als Doppelagentin in den Reihen der POUM, der Arbeiterpartei der Marxistischen Einheit in Spanien, tätig gewesen – das bedeutete, dass sie sowohl für die Geheimpolizei GPU in Moskau als auch für den kommunistischen Geheimdienst in Spanien gearbeitet hatte. Sie war die rechte Hand, und angeblich irgendwie auch die Geliebte, ihres Vorgesetzten, des berühmten Andreas Nin gewesen. Sie arbeitete von 1935 bis 1937 mit ihm zusammen. Dann wurde er auf Befehl von Moskau ermordet, und Gerüchte besagten, dass sie diejenige war, die den Befehl ausführte. Ob das nun der Wahrheit entsprach oder nicht, von diesem Tag an war sie auf der Karriereleiter langsam aber sicher immer weiter nach oben geklettert. Sie hatte Rückschläge, Kriege und alle politischen Säuberungsaktionen überlebt, und zwar deshalb, weil sie keine Bündnisse einging und sich keinen Fraktionen anschloss, bis ihre blutverschmierten Hände 1953 nach Berias Tod dann schließlich nach der Sprosse griffen, die nicht mehr weit von der Spitze entfernt war – die Leitung der Operationsabteilung von SMERSCH.
    Und, überlegte Kronsteen, einen Großteil ihres Erfolgs verdankte sie der seltsamen Natur ihres zweitwichtigsten Instinkts: dem Sexualinstinkt. Denn Rosa Klebb gehörte zweifellos zum seltensten aller sexuellen Typen. Sie war ein Neutrum. Kronsteen war sich diesbezüglich absolut sicher. Die Geschichten von Männern und auch Frauen waren zu ausführlich, um angezweifelt zu werden. Sie mochte den Akt körperlich genießen, aber das Werkzeug dafür war nicht weiter wichtig. Für sie war Sex nicht mehr als ein gelegentlich vorkommender Juckreiz. Und diese psychologische und körperliche Neutralität befreite sie von sehr vielen menschlichen Emotionen, Gefühlen und Sehnsüchten. Sexuelle Neutralität war die Grundlage für die Gefühlskälte eines Individuums. Und es war ein großes und wundervolles Geschenk, damit geboren zu werden.
    Ihr

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