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James Bond 05 - Liebesgrüße aus Moskau (German Edition)

James Bond 05 - Liebesgrüße aus Moskau (German Edition)

Titel: James Bond 05 - Liebesgrüße aus Moskau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Fleming
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Mikrofon. »Wir machen eine dreiminütige Pause.«
    Ein Murmeln ging durch den Saal. Obwohl Macharow seinen Blick höflich vom Brett hob, reglos dasaß und auf die hohe gewölbte Decke starrte, wussten die Zuschauer, dass er sich die Positionen der Figuren auf dem Schachbrett genau eingeprägt hatte. Eine dreiminütige Pause bedeutete drei zusätzliche Minuten Zeit für Macharow.
    Kronsteen verspürte ähnliche Verärgerung, doch sein Gesicht war ausdruckslos, als der Schiedsrichter von seinem Stuhl herunterstieg und ihm den einfachen, nicht adressierten Umschlag reichte. Kronsteen riss ihn mit dem Daumen auf und zog ein anonymes Blatt Papier heraus. Darauf stand in den großen, mit Schreibmaschine geschriebenen Buchstaben, die er nur zu gut kannte: SIE WERDEN AUGENBLICKLICH BENÖTIGT. Keine Unterschrift und kein Absender.
    Kronsteen faltete das Papier und steckte es vorsichtig in die Brusttasche seines Hemds. Es würde ihm später wieder abgenommen und zerstört werden. Er sah zu dem Mann in Zivil auf, der neben dem Schiedsrichter stand. Die Augen beobachteten ihn ungeduldig und gebieterisch. Zum Teufel mit diesen Leuten, dachte Kronsteen. Er würde
nicht
aufgeben, wenn nur noch drei Minuten zu spielen waren. Das war undenkbar. Es wäre eine Beleidigung für den Sport des russischen Volkes. Doch als er dem Schiedsrichter mit einer Geste signalisierte, dass das Spiel fortgesetzt werden könne, zitterte er innerlich, und er mied den Blick den Mannes in Zivil, der in angespannter Reglosigkeit im Inneren des abgesperrten Bereichs stehen blieb.
    Die Glocke ertönte. »Das Spiel geht weiter.«
    Macharow neigte langsam den Kopf. Der Zeiger seiner Uhr umrundete die volle Stunde, und er war immer noch am Leben.
    Kronsteen bebte nach wie vor innerlich. Was er getan hatte, hatte noch kein Angestellter von SMERSCH oder irgendeiner anderen staatlichen Behörde zuvor gewagt. Sein Verhalten würde zweifellos gemeldet werden. Grober Ungehorsam. Pflichtverletzung. Wie mochten die Konsequenzen aussehen? Im besten Fall eine Standpauke von General G. und ein Eintrag in seiner
zapiska
. Und im schlimmsten Fall? Kronsteen konnte es sich nicht vorstellen. Er wollte nicht darüber nachdenken. Was auch immer passieren würde, die Süße des Sieges war in seinem Mund zu einem bitteren Geschmack geworden.
    Doch nun war es vorbei. Macharow, dem nur noch fünf Sekunden blieben, hob seine Augen nicht höher als bis zu den schmollenden Lippen seines Gegners und neigte den Kopf in der kurzen offiziellen Geste der Kapitulation. Als die Glocke des Schiedsrichters zwei Mal ertönte, erhoben sich alle Zuschauer im Saal unter tosendem Applaus.
    Kronsteen stand auf und verbeugte sich vor seinem Gegner, vor den Schiedsrichtern und schließlich sehr tief vor den Zuschauern. Dann duckte er sich, dicht gefolgt von dem Mann in Zivil, unter der Absperrung hindurch und kämpfte sich kalt und grob durch die Massen seiner jubelnden Bewunderer zum Hauptausgang vor.
    Vor der Turnierhalle stand mitten auf der breiten Puschkin Ulitsa die übliche anonyme schwarze Limousine und wartete mit laufendem Motor. Kronsteen stieg hinten ein und schloss die Tür. Als der Mann in Zivil auf das Trittbrett sprang und sich auf den Vordersitz quetschte, trat der Fahrer bereits aufs Gas, und der Wagen raste über die Straße davon.
    Kronsteen wusste, dass es nichts bringen würde, sich bei dem Mann in Zivil zu entschuldigen. Es würde außerdem seiner Stellung widersprechen. Immerhin war er der Leiter der Planungsabteilung von SMERSCH mit dem Ehrenrang eines vollwertigen Obersts. Und sein Gehirn war für die Organisation Gold wert. Vielleicht konnte er sich irgendwie aus diesem Schlamassel herausreden. Er starrte aus dem Fenster auf die dunklen Straßen, die von der Arbeit der nächtlichen Reinigungskolonne bereits ganz nass waren, und konzentrierte sich auf seine Verteidigung. Dann kam eine gerade Straße, an deren Ende der Mond zwischen den Zwiebeltürmen des Kremls erschien, und dann waren sie da.
    Als die Wache Kronsteen an den Adjutanten übergab, händigte er diesem ebenfalls ein Stück Papier aus. Der Adjutant warf einen Blick darauf und sah Kronsteen dann mit leicht hochgezogenen Augenbrauen kalt an. Kronsteen starrte ruhig zurück und sagte nichts. Der Adjutant zuckte mit den Schultern, griff nach dem Hörer des Bürotelefons und kündigte ihn an.
    Als sie in den großen Raum gingen, wo Kronsteen zu einem Stuhl geführt wurde und Frau Oberst Klebbs kurzes, verkniffenes

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