James Bond 06 - Dr. No (German Edition)
hitzeflirrenden Dunst am Horizont verschwammen. Über ihnen flog ein großer Schwarm Vögel, ließ sich nieder und erhob sich wieder in die Luft. Ihr anhaltendes Geschrei wurde vom kräftigen Wind zu ihnen heruntergetragen.
Quarrels Stimme riss Bond aus seinen Gedanken. »Sie kommen, Cap’n.«
Bond folgte Quarrels Blick. Ein großer Lastwagen entfernte sich mit rasender Geschwindigkeit von den Hütten. Seine Reifen wirbelten Staub auf. Bond folgte ihm zehn Minuten lang mit den Augen, bis er zwischen den Mangroven am Ende des Flusses verschwunden war. Er lauschte. Der Wind trug das Bellen der Hunde zu ihnen.
»Sie werden den Fluss herunterkommen, Cap’n«, sagte Quarrel. »Sie wissen, dass wir uns nur flussaufwärts bewegen können, sofern wir noch nicht tot sind. Sie werden sich mit Sicherheit flussabwärts zum Strand vorarbeiten und nach den Überresten suchen. Dann wird das Boot wahrscheinlich mit einem Beiboot kommen, und die Männer und Hunde mitnehmen. Zumindest würde ich es an deren Stelle so machen.«
»Das machen sie auch immer, wenn sie mich suchen«, bestätigte Honey. »Aber das ist kein Problem. Man schneidet einfach ein Stück Bambus ab, und wenn sie dann in die Nähe kommen, taucht man unter Wasser und atmet durch das Bambusrohr, bis sie wieder weg sind.«
Bond grinste Quarrel an. »Sie besorgen den Bambus, und ich suche uns in der Zwischenzeit ein gutes Versteck in den Mangroven.«
Quarrel nickte skeptisch. Dann machte er sich flussaufwärts in Richtung der Bambusdickichte auf. Bond drehte sich zum Mangroventunnel um.
Bisher hatte er es vermieden, das Mädchen anzusehen. »Du musst nicht so sehr darauf achten, mich nicht anzuschauen«, sagte sie ungeduldig. »In unserer Situation kann man sich um so etwas nicht kümmern. Das hast du selbst gesagt.«
Bond drehte sich um und sah sie an. Ihr zerrissenes Hemd reichte bis zur Wasseroberfläche. Darunter erhaschte er einen flüchtigen Blick auf blasse, verschwommene Beine. Das hübsche Gesicht lächelte ihn an. In den Mangroven verlieh ihr die gebrochene Nase etwas Animalisches.
Bond sah sie langsam an. Sie verstand ihn. Er drehte sich um und ging weiter flussabwärts. Sie folgte ihm.
Bond fand, wonach er suchte: ein Spalt in einer Wand aus Mangroven, der tief genug zu sein schien. »Pass auf, dass du keinen Zweig abbrichst«, mahnte er. Er neigte den Kopf nach vorn und watete hinein. Der Kanal reichte gut neun Meter ins Innere. Der Schlamm unter ihren Füßen wurde tiefer und weicher. Dann trafen sie auf eine feste Wand aus Wurzeln und konnten nicht weitergehen. Das braune Wasser floss langsam durch ein breites Becken. Bond blieb stehen. Honey trat nah an ihn heran. »Das ist ein richtiges Versteckspiel«, bemerkte sie zitternd.
»Ja, das ist es wohl.« Bond dachte an seine Waffe. Er fragte sich, wie gut sie nach dem Bad im Fluss noch schießen würde – und wie viele Hunde und Männer er damit erwischen konnte, falls sie entdeckt wurden. Er verspürte einen Anflug von Unruhe. Es war großes Pech gewesen, dass sie dieses Mädchen getroffen hatten. Ob es einem nun gefiel oder nicht, im Kampf stellte eine Frau einen Nachteil dar. Der Feind hatte zwei Ziele, man selbst nur eins.
Bond erinnerte sich an seinen Durst. Er schöpfte mit der Hand ein wenig Wasser. Es war brackig und schmeckte nach Erde. Aber es war in Ordnung. Er trank noch etwas mehr. Das Mädchen streckte eine Hand aus, um ihn davon abzuhalten. »Trink nicht zu viel. Spül dir den Mund und spuck aus. Du könntest sonst Fieber bekommen.«
Bond sah sie stumm an und folgte ihrem Rat.
Quarrels Pfeifen erklang aus Richtung des Hauptstroms. Bond antwortete und watete ihm entgegen. Gemeinsam kehrten sie durch den Kanal zurück. Quarrel bespritzte die Mangrovenwurzeln an den Stellen mit Wasser, wo ihre Körper sie berührt haben mochten. »Das verdeckt unseren Geruch«, erklärte er knapp. Er zog eine Handvoll Bambusrohre hervor und machte sich daran, sie zu schnitzen und zurechtzuschneiden. Bond widmete sich unterdessen seiner Waffe und seiner Ersatzmunition. Sie standen ganz still in dem Tümpel, damit sie nicht noch mehr Schlamm aufwirbelten. Das Sonnenlicht fiel durch das dichte Blätterdach auf sie herunter. Die Krebse knabberten sanft an ihren Füßen. Die Spannung in der heißen, beengten Stille wurde schier unerträglich.
Es war fast schon eine Erleichterung, endlich das Bellen der Hunde zu hören.
DRACHENSPUR
Der Suchtrupp bewegte sich schnell flussabwärts. Die beiden
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