James Bond 06 - Dr. No (German Edition)
Krebse trieb ihn in den Wahnsinn! Sie hatten Glück, dass keiner von ihnen eine offene Wunde am Körper hatte, sonst hätten sich die verdammten Viecher schon längst hineingefressen. Aber es war eine kluge Idee von dem Mädchen gewesen. Ohne sie hätten die Hunde sie gefunden, egal wo sie sich versteckt hätten.
Plötzlich zuckte Bond zusammen. Ein Gummistiefel war auf sein Schienbein getreten und abgerutscht. Würde der Mann denken, dass es sich um einen Ast gehandelt hatte? Bond konnte nichts riskieren. Mit einer fließenden Bewegung katapultierte er sich nach oben und spuckte das Bambusröhrchen aus.
Bond erhaschte einen kurzen Blick auf einen riesigen Körper, der fast auf ihm stand. Dann sah er einen durch die Luft sausenden Gewehrkolben. Er hob seinen linken Arm, um seinen Kopf zu schützen, und spürte den schmerzhaften Aufprall auf seinem Unterarm. Im gleichen Augenblick schnellte seine rechte Hand nach vorn, und als der Lauf seiner Waffe die glänzende rechte Hälfte der Brust unter der haarlosen Brustwarze berührte, betätigte er den Abzug.
Der Rückstoß der Explosion so dicht am Körper seines Gegners brach Bond fast das Handgelenk, doch der Mann fiel wie ein gefällter Baum nach hinten und landete platschend im Wasser. Bond erhaschte einen Blick auf ein riesiges Loch in seiner Seite, während er unterging. Die Gummistiefel zappelten noch ein Mal, und der Kopf – der Kopf eines chinesischen Negers – durchbrach die Wasseroberfläche mit nach oben gerichteten Augen, während Wasser aus dem stumm schreienden Mund austrat. Dann tauchte der Kopf wieder unter. Es blieben lediglich eine schlammige Brühe und ein sich langsam ausbreitender roter Fleck zurück, der langsam flussabwärts strömte.
Bond schüttelte sich. Dann drehte er sich um. Quarrel und Honey standen hinter ihm. Wasser lief von ihren Körpern. Quarrel grinste übers ganze Gesicht, doch die junge Frau hielt sich die Hände vor den Mund und starrte entsetzt auf das rötliche Wasser.
»Tut mir leid, Honey«, sagte Bond knapp. »Ich musste das tun. Er war direkt über uns. Komm, lass uns von hier verschwinden.« Er packte sie grob am Arm, zerrte sie aus dem Versteck in den Hauptstrom hinaus und hielt erst inne, als sie den offenen Fluss am Eingang des Mangroventunnels erreichten.
Die Landschaft war wieder leer. Bond schaute auf seine Uhr. Sie war bei drei Uhr stehen geblieben. Er sah in Richtung der nach Westen wandernden Sonne. Es mochte jetzt vier Uhr sein. Wie viel weiter mussten sie noch gehen? Bond fühlte sich plötzlich sehr müde. Er hatte alles vermasselt. Selbst wenn niemand den Schuss gehört hatte – und der Körper des Mannes sowie die Mangroven hatten das Geräusch zweifellos gedämpft –, würde der Mann vermisst werden, sobald sich die anderen an der Flussmündung versammelten, um aufs Boot zurückzukehren, wie Quarrel vermutete. Würden sie über den Fluss zurückkommen, um nach dem fehlenden Mann zu suchen? Vermutlich nicht. Es würde dunkel werden, bevor sie mit Sicherheit wussten, dass er verschwunden war. Sie würden erst am nächsten Morgen einen Suchtrupp losschicken. Die Hunde würden die Leiche schnell finden. Und was dann?
Das Mädchen zog an seinem Ärmel. »Du solltest mir langsam mal verraten, worum es hier eigentlich geht!«, sagte sie wütend. »Warum versuchen alle, sich gegenseitig umzubringen? Und wer seid ihr? Diese Geschichte mit den Vögeln kaufe ich euch nicht ab. Man nimmt keinen Revolver mit, wenn man Vögel beobachten will.«
Bond starrte in die wütenden, weit auseinanderstehenden Augen. »Es tut mir leid, Honey. Ich fürchte, ich habe dich in Schwierigkeiten gebracht. Ich werde dir heute Abend alles darüber erzählen, sobald wir das Lager erreicht haben. Du hattest einfach nur Pech, dass du in diese Sache hineingeraten bist. Ich befinde mich mit diesen Leuten gewissermaßen im Krieg. Sie scheinen mich umbringen zu wollen. Jetzt bin ich nur noch daran interessiert, uns alle von der Insel runterzubekommen, ohne dass jemand verletzt wird. Ich habe genug Informationen gesammelt, um beim nächsten Mal durch die Vordertür zurückkommen zu können.«
»Was meinst du damit? Bist du so eine Art Polizist? Versucht ihr, diesen Chinesen ins Gefängnis zu bringen?«
»Ja, so ungefähr.« Bond lächelte sie an. »Zumindest bist du auf der Seite des Rechts. Und jetzt verrate mir etwas. Wie weit ist es noch bis zum Lager?«
»Oh, etwa eine Stunde.«
»Ist das ein guter Ort, um sich zu verstecken?
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