James Bond 06 - Dr. No (German Edition)
Könnten sie uns dort leicht finden?«
»Sie müssten über den See oder den Fluss kommen. Wir werden dort sicher sein, solange sie nicht ihren Drachen auf uns hetzen. Er kann das Wasser durchqueren. Ich habe es gesehen.«
»Na gut«, erwiderte Bond diplomatisch, »dann hoffen wir einfach, dass er einen verletzten Schwanz hat oder so etwas.«
Das Mädchen schnaubte. »Wie du willst, Herr Besserwisser«, schimpfte sie wütend. »Du wirst schon sehen.«
Quarrel kam plätschernd aus den Mangroven gestapft. Er trug ein Gewehr bei sich. »Kann nicht schaden, eine zweite Waffe zu haben, Cap’n«, erklärte er entschuldigend. »Sieht so aus, als könnten wir sie gebrauchen.«
Bond nahm das Gewehr entgegen, um es sich anzusehen. Es handelte sich um einen Remington-Karabiner der US-Armee, Kaliber .300. Auf jeden Fall hatte die Bande die richtige Ausrüstung. Er gab seinem Begleiter die Waffe zurück.
Quarrel sprach seine Gedanken aus: »Diese Leute sind gerissen, Cap’n. Dieser Mann muss leise hinter den anderen hergeschlichen sein, um uns zu erwischen, nachdem die Hunde weg waren. Dieser Doktor ist zweifellos ein schlauer Mungo.«
»Er muss ein beeindruckender Mann sein«, stimmte Bond nachdenklich zu. Er tat seine Gedanken mit einem Schulterzucken ab. »Wir sollten aufbrechen. Honey sagt, dass das Lager noch eine Stunde entfernt ist. Wir halten uns besser am linken Ufer, damit wir wenigstens die spärliche Deckung nutzen können, die uns der Hügel bietet. Soweit wir wissen, beobachten sie den Fluss mit Ferngläsern.« Bond gab seine Waffe an Quarrel weiter, der sie in dem durchweichten Rucksack verstaute. Dann gingen sie weiter. Quarrel übernahm die Führung, und Bond und das Mädchen liefen zusammen hinter ihm her.
Der Bambus und die Büsche am westlichen Ufer boten ein wenig Schatten, aber nun mussten sie sich der vollen Kraft des sengenden Windes stellen. Sie bespritzten ihre Arme und Gesichter mit Wasser, um die Verbrennungen zu kühlen. Bonds Augen waren aufgrund des grellen Lichts blutunterlaufen, und sein Arm schmerzte unerträglich an der Stelle, wo der Gewehrkolben ihn erwischt hatte. Er freute sich auch nicht gerade auf sein Abendessen aus durchweichtem Brot mit Käse und Pökelfleisch. Wie lange würden sie schlafen können? Gestern Nacht hatte er nicht viel geschlafen. So wie es aussah, würde es diese Nacht nicht besser werden. Und was war mit Honey? Sie hatte gar nicht geschlafen. Er und Quarrel würden Wache halten müssen. Und dann kam der nächste Morgen. Dann würden sie wieder in den Mangrovenwald stapfen und sich langsam zurück zum Kanu am östlichen Ende der Insel durchkämpfen müssen. So sah es aus. Und in der nächsten Nacht würden sie davonsegeln. Bond dachte daran, wie er sich acht Kilometer weit durch den dichten Mangrovenwald kämpfen musste. Was für eine Aussicht! Bond stapfte weiter und dachte an Ms Kommentar über »Urlaub in der Sonne«. Er würde einiges geben, um dieses Erlebnis hier vor Ort mit M teilen zu können.
Der Fluss wurde schmaler, bis er nur noch ein kleiner Strom zwischen den Bambuskolonien war. Dann verbreiterte er sich wieder und ging in ein flaches, sumpfiges Mündungsgebiet über, hinter dem sich der dreizehn Quadratkilometer große, flache See wie ein angeschlagener blaugrauer Spiegel bis zur anderen Seite der Insel erstreckte. Dahinter schimmerte eine Landebahn, und die Sonne ließ den einzelnen Hangar funkeln. Das Mädchen riet ihnen, sich östlich zu halten, und sie kämpften sich langsam durch das dichte Gebüsch.
Plötzlich blieb Quarrel stehen. Sein Gesicht war wie das eines Jagdhundes auf die sumpfige Ebene vor ihnen gerichtet. Im matschigen Boden befanden sich zwei tiefe parallel verlaufende Rillen und in der Mitte zwischen ihnen war eine weniger tiefe Rille zu erkennen. Es waren die Spuren von etwas, das vom Hügel heruntergekommen und sich über den Sumpf in Richtung des Sees bewegt hatte.
»Das war der Drache«, sagte Honey beiläufig.
Quarrel starrte sie ungläubig an.
Bond ging langsam an den Spuren entlang. Die äußeren waren recht glatt und leicht nach innen geneigt. Sie hätten von Rädern stammen können, aber sie waren gewaltig – mindestens sechzig Zentimeter breit. Die mittlere Spur hatte die gleiche Form, war aber nur knapp acht Zentimeter breit, was in etwa der Breite eines Autoreifens entsprach. Die Spuren wiesen keinerlei Profil auf und waren relativ frisch. Sie verliefen unverwandt geradeaus, und die Büsche, die in ihrem Weg
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