James Bond 06 - Dr. No (German Edition)
lagen, waren plattgedrückt, als wäre ein Panzer darübergefahren.
Bond konnte sich nicht vorstellen, was für eine Art Fahrzeug – sofern es sich überhaupt um ein Fahrzeug handelte – solche Spuren hinterlassen haben mochte. Als das Mädchen ihn anstieß und scharf flüsterte: »Ich hab’s dir doch gesagt«, konnte er nur nachdenklich erwidern: »Tja, Honey, wenn es kein Drache ist, dann ist es etwas anderes, das ich noch nie zuvor gesehen habe.«
Nachdem sie ein Stück weitergegangen waren, zog sie drängend an seinem Ärmel. »Da«, wisperte sie. Sie deutete nach vorn auf eine dichte Ansammlung aus Büschen neben der die Spuren verliefen. An den Büschen befanden sich keine Blätter mehr, sie waren völlig schwarz. In der Mitte konnte man die verkohlten Überreste einiger Vogelnester sehen. »Er hat Feuer auf sie gespuckt«, stieß sie aufgeregt hervor.
Bond ging näher an die Büsche heran und untersuchte sie. »Ja, das hat er wohl«, räumte er ein. Warum waren diese speziellen Büsche verbrannt worden? Das war alles sehr seltsam.
Die Spuren verliefen bis zum See und verschwanden dann im Wasser. Bond hätte sie gerne verfolgt, aber sie durften unter keinen Umständen ihre Deckung aufgeben. Sie marschierten weiter und hingen ihren jeweiligen Gedanken nach.
Der Tag neigte sich langsam seinem Ende zu, und die Sonne sank hinter den Zuckerhut. Endlich deutete das Mädchen vor ihnen durch die Büsche, und Bond konnte eine lange Sandnehrung sehen, die sich in den See hinein erstreckte. In ihrer Mitte wuchsen dichte Meertraubenbäume, und auf halbem Weg, vielleicht hundert Meter vom Ufer entfernt, befanden sich die Überreste einer strohgedeckten Hütte. Sie wirkte wie ein einigermaßen angenehmer Ort, um dort die Nacht zu verbringen, und das Lager war auf beiden Seiten gut durch das Wasser geschützt. Der Wind hatte nachgelassen, und das Wasser war weich und einladend. Wie himmlisch es sein würde, die schmutzigen Hemden auszuziehen, sich im See zu waschen und sich nach Stunden im Schlamm und Gestank des Flusses und des Sumpfes endlich auf harten, trockenen Sand legen zu können!
Die Sonne brannte gelblich und versank hinter dem Berg. An der östlichen Spitze der Insel war der Tag noch nicht ganz zu Ende, aber der schwarze Schatten des Zuckerhuts marschierte langsam über den See und würde schon bald auch das letzte bisschen Licht auslöschen. Die Frösche begannen zu quaken – lauter als auf Jamaika –, bis ihr schrilles Konzert die dichte Dämmerung vollkommen erfüllte. Auf der anderen Seite des Sees stimmte ein riesiger Ochsenfrosch sein Lied an. Das unheimliche Geräusch klang wie eine Mischung aus Trommelschlägen und dem Gebrüll eines Affen. Der Frosch sandte kurze Botschaften aus, die plötzlich leiser wurden. Bald darauf verstummte er ganz. Er hatte gefunden, wonach er gerufen hatte.
Sie erreichten den Anfang der Sandnehrung und verteilten sich auf dem schmalen Weg. Dann kamen sie zu den Überresten der zerstörten Hütte. Die großen, geheimnisvollen Spuren kamen auf beiden Seiten aus dem Wasser und verliefen über die Lichtung und die umliegenden Büsche, als ob das Ding – was immer es auch sein mochte – den Ort einfach überrannt hatte. Viele der Pflanzen waren verbrannt oder verkohlt. Sie entdeckten die Überreste einer Feuerstelle, die aus Korallenklumpen bestand, sowie ein paar herumliegende Kochtöpfe und leere Konservendosen. Sie durchsuchten die Überreste, und Quarrel brachte ein paar ungeöffnete Dosen mit Schweinefleisch und Bohnen von Heinz zutage. Das Mädchen fand einen zusammengeknüllten Schlafsack. Bond stieß auf eine kleine Lederbrieftasche mit fünf Eindollarscheinen, drei jamaikanischen Pfund sowie ein paar Silbermünzen darin. Die beiden Männer waren zweifellos überstürzt aufgebrochen.
Sie verließen das Lager und wanderten weiter bis zu einer kleinen sandigen Lichtung. Durch die Büsche konnten sie Lichter vom vielleicht drei Kilometer entfernten Berg sehen, die sich funkelnd im Wasser spiegelten. Richtung Osten lag lediglich das schwarze, sanft schimmernde Wasser unter dem dunkler werdenden Himmel.
»Solange wir kein Feuer machen, sollten wir hier sicher sein«, meinte Bond. »Zuallererst sollten wir uns ordentlich waschen. Honey, du nimmst diese Hälfte der Sandnehrung, und wir gehen auf die landwärts gelegene Seite. Wir sehen uns in einer halben Stunde zum Abendessen.«
Das Mädchen lachte. »Werdet ihr euch etwas Besonderes anziehen?«
»Natürlich«,
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