James Bond 06 - Dr. No (German Edition)
nichts mit den Schlägertypen draußen in der Wellblechhütte zu tun hatte und vielleicht nicht einmal wusste, was das für Männer waren.
Es war grotesk, entschied Bond, als sie sich einer Tür am Ende des Flurs näherten, gefährlich grotesk, aber es hatte keinen Sinn, sich Gedanken darüber zu machen. Momentan konnte er dieses seltsame Spiel einfach nur mitspielen. Wenigstens war es hier drinnen besser als draußen auf der Insel.
An der Tür betätigte Schwester Lily eine Klingel. Sie waren erwartet worden. Die Tür öffnete sich sofort. Eine bezaubernde Chinesin in einem malvenfarbenen und weißen Kimono mit Blumenmuster stand lächelnd vor ihnen und verneigte sich, wie man es von einer Chinesin erwarten würde. In dem blassen, strahlenden Gesicht lagen wie schon bei den beiden anderen Frauen nur Wärme und Freundlichkeit. »Sie sind endlich eingetroffen, May!«, rief Schwester Lily. »Mr und Mrs John Bryce. Und ich weiß, dass sie erschöpft sein müssen, daher sollten wir sie sofort in ihre Zimmer bringen, damit sie frühstücken und danach ein wenig schlafen können.« Sie wandte sich an Bond. »Das ist May. Sie ist so ein liebes Mädchen. Sie wird sich gut um Sie kümmern. Wenn Sie irgendetwas benötigen, klingeln Sie einfach nach May. Sie ist der Liebling all unserer Patienten.«
Patienten, dachte Bond. Dieses Wort hat sie jetzt schon zum zweiten Mal benutzt. Er lächelte dem Mädchen höflich zu. »Guten Tag. Ja, wir würden jetzt wirklich gerne unsere Zimmer sehen.«
May schenkte ihnen ein warmes Lächeln. »Ich hoffe sehr, dass Sie beide sich hier wohlfühlen werden, Mr Bryce«, sagte sie mit tiefer, attraktiver Stimme. »Ich habe mir erlaubt, das Frühstück für Sie zu bestellen, sobald ich von Ihrer Ankunft hörte. Sollen wir …?« Hinter den Doppeltüren in der gegenüberliegenden Wand zweigten nach rechts und links Flure ab. Das Mädchen führte sie nach rechts. Bond und Honeychile folgten ihr, und Schwester Lily bildete das Schlusslicht.
Auf beiden Seiten des Flurs gingen nummerierte Türen ab. Das Dekor war nun in hellem Pink gehalten, das mit dem taubengrauen Teppich harmonierte. Die Zahlen an den Türen bewegten sich im Zehnerbereich. Abrupt endete der Flur vor zwei nebeneinanderliegenden Türen mit den Nummern 14 und 15. May öffnete die Tür mit der Nummer 14, und sie folgten ihr hinein.
Es handelte sich um ein entzückendes Doppelzimmer im modernen Miami-Stil mit dunkelgrünen Wänden, einem dunklen, polierten Mahagonifußboden, auf dem hier und da dicke weiße Teppiche lagen, und elegant geformten Bambusmöbeln mit einem weißen Stoffbezug, auf dem große rote Rosen prangten. Es gab eine Durchgangstür, die in ein etwas männlicher eingerichtetes Ankleidezimmer führte, und eine weitere, hinter der sich ein extrem luxuriöses, modern ausgestattetes Bad mit in den Boden eingelassener Badewanne und Bidet befand.
Es war, als würde man in die modernste Hotelsuite in Floria geführt werden – abgesehen von zwei Details, die Bond sofort auffielen. Es gab weder Fenster noch Türklinken an den Innenseiten der Türen.
May schaute sie hoffnungsvoll an.
Bond wandte sich an Honeychile. Er lächelte sie an. »Es sieht sehr gemütlich aus, findest du nicht auch, Liebling?«
Das Mädchen spielte mit dem Saum ihres Rocks. Sie nickte, ohne ihn anzusehen.
Es klopfte zaghaft an der Tür, und ein weiteres Mädchen, genauso hübsch wie May, kam mit einem vollen Tablett hereingetrippelt, das sie auf einer Hand balancierte. Sie stellte es auf den Tisch in der Mitte des Raums und zog zwei Stühle zurück. Dann nahm sie das makellose weiße Leinentuch ab, das das Geschirr und die Warmhalteglocken bedeckte, und trippelte aus dem Zimmer. Der köstliche Geruch von Speck und Kaffee erfüllte die Luft.
May und Schwester Lily zogen sich zur Tür zurück. Die ältere Frau blieb an der Schwelle stehen. »Wir werden Sie nun in Ruhe lassen. Wenn Sie irgendetwas benötigen, klingeln Sie einfach. Die Klingeln befinden sich neben dem Bett. Oh, in den Schränken finden Sie übrigens frische Kleidung. Ich fürchte, es ist chinesische«, sie zwinkerte entschuldigend, »aber ich hoffe, sie hat die richtige Größe. Die Garderobenabteilung hat Ihre Maße erst gestern Abend erhalten. Der Doktor hat die strikte Anweisung gegeben, dass Sie nicht gestört werden dürfen. Er wäre hocherfreut, wenn Sie sich ihm heute Abend zum Abendessen anschließen würden. Er möchte, dass Sie den Rest des Tages für sich haben, damit Sie
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