James Bond 06 - Dr. No (German Edition)
damit einmal gegen jeden Augapfel. Beide Male war ein dumpfes Klirren zu hören. »Die hier«, sagte Doktor No, »sehen alles.«
DIE BÜCHSE DER PANDORA
James Bond nahm sein Glas und nippte nachdenklich daran. Es erschien ihm sinnlos, den Bluff weiterhin aufrechtzuerhalten. Seine Geschichte, dass er die Audubon-Gesellschaft repräsentierte, war ohnehin nicht besonders überzeugend gewesen, und konnte leicht von jemandem durchschaut werden, der sich mit Vögeln auskannte. Seine Tarnung war offensichtlich aufgeflogen. Nun musste er sich darauf konzentrieren, das Mädchen zu beschützen. Für den Anfang musste er sie beruhigen.
Bond lächelte Doktor No an. »Ich weiß über Ihre Kontaktperson im King’s House Bescheid«, sagte er. »Miss Taro arbeitet für Sie. Ich habe diese Tatsache dokumentiert, und unter gewissen Umständen wird sie enthüllt werden« – Doktor Nos Gesichtsausdruck zeigte keinerlei Interesse – »ebenso wie andere Tatsachen. Aber wenn wir unbedingt ein Gespräch führen müssen, sollten wir das ohne weitere Bühneneffekte tun. Sie sind ein interessanter Mann. Aber es ist nicht nötig, dass Sie sich interessanter machen, als Sie sind. Sie hatten das Unglück, Ihre Hände zu verlieren. Sie haben mechanische Hände. Viele Männer, die im Krieg verwundet wurden, haben so etwas. Anstelle einer Brille tragen Sie Kontaktlinsen. Sie benutzen ein Funkgerät statt einer Klingel, um Iihren Diener zu rufen. Zweifellos haben Sie noch weitere Tricks auf Lager. Aber, Doktor No, Sie sind trotz allem immer noch ein Mann, der schläft, isst und seine Notdurft verrichtet, wie der Rest von uns. Also bitte keine Zaubertricks mehr. Ich bin nicht einer Ihrer Guanogräber, und Sie beeindrucken mich absolut nicht.«
Doktor No neigte ganz leicht den Kopf. »Gut gesprochen, Mister Bond. Ich akzeptiere Ihre Zurechtweisung. Da ich zu lange in der Gesellschaft von Affen gelebt habe, habe ich zweifellos einige unerfreuliche Angewohnheiten entwickelt. Aber halten Sie diese Angewohnheiten nicht für einen Bluff. Ich bin ein Techniker. Ich wähle meine Werkzeuge dem Material entsprechend aus. Außerdem besitze ich eine ganze Reihe Werkzeuge zur Bearbeitung von widerspenstigem Material. Doch wie dem auch sei«, sagte Doktor No und hob seine ineinandergeschobenen Ärmel ein Stück, bevor er sie in seinen Schoß fallen ließ, »lassen Sie uns unser Gespräch fortsetzen. Es ist mir eine seltene Freude, einen intelligenten Zuhörer zu haben, und ich werde es genießen, Ihnen die Geschichte eines der bemerkenswertesten Männer der Welt zu erzählen. Sie sind der Erste, der sie hören wird. Ich habe sie zuvor noch niemandem erzählt. Sie sind die einzige Person, die ich je getroffen habe, die meine Geschichte zu schätzen wissen und sie außerdem …« Doktor No hielt inne, um die Bedeutung seiner letzten Worte zu betonen, »… für sich behalten wird.« Er machte eine kurze Pause und fuhr dann fort: »Letzteres gilt auch für das Mädchen.«
Das war es also. Seit das Spandau-Gewehr das Feuer auf sie eröffnet hatte und auch schon davor, als auf Jamaika Anschläge auf sein Leben verübt worden waren, hatte Bond kaum Zweifel daran gehegt, dass dieser Mann ein Mörder war und ihr Aufeinandertreffen mit einem Kampf auf Leben und Tod enden würde. Er hatte wie immer blind darauf vertraut, dass er diesen Kampf gewinnen würde – bis zu dem Moment, als der Flammenwerfer auf ihn gerichtet gewesen war. In diesem Augenblick hatte er angefangen zu zweifeln. Nun wusste er es mit Sicherheit. Dieser Mann war zu stark, zu gut ausgerüstet.
»Das Mädchen muss das nicht hören«, erklärte Bond. »Sie hat nichts mit mir zu tun. Ich habe sie gestern zufällig am Strand getroffen. Sie ist eine Jamaikanerin aus Morgan’s Harbour. Sie sammelt Muscheln. Ihre Männer haben ihr Kanu zerstört, also musste ich sie mitnehmen. Schicken Sie sie von hier weg und zurück nach Hause. Sie wird mit niemandem darüber reden. Sie wird schwören, es nicht zu tun.«
Das Mädchen unterbrach ihn wütend. »Ich
werde
reden! Ich werde alles verraten. Ich werde mich keinen Zentimeter bewegen. Ich bleibe hier bei dir.«
Bond starrte sie an. »Ich will dich aber nicht hier haben«, entgegnete er kalt.
»Verschwenden Sie Ihre Zeit nicht mit diesem heldenhaften Geschwätz«, zischte Doktor No. »Niemand, der diese Insel betritt, verlässt sie je wieder. Verstehen Sie das? Niemand – nicht einmal der einfachste Fischer. Das entspricht nicht meinen Grundsätzen.
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