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James Bond 06 - Dr. No (German Edition)

James Bond 06 - Dr. No (German Edition)

Titel: James Bond 06 - Dr. No (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Fleming
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Versuchen Sie nicht, mit mir zu diskutieren oder mich zu überlisten. Das ist vollkommen sinnlos.«
    Bond betrachtete das Gesicht seines Gegenübers. Es lag kein Ärger darin, kein Starrsinn – sondern lediglich äußerste Gleichgültigkeit. Er zuckte mit den Schultern, sah das Mädchen an und lächelte. »Schon gut, Honey«, sagte er. »Ich meinte es nicht so. Ich will wirklich nicht, dass du weggehst. Wir werden zusammenbleiben und uns anhören, was dieser Wahnsinnige zu sagen hat.«
    Das Mädchen nickte glücklich. Es war, als hätte ihr Liebhaber damit gedroht, sie aus dem Kino zu schicken und es sich schließlich doch anders überlegt und nachgegeben.
    Doktor No sprach mit derselben leisen, klangvollen Stimme weiter: »Sie haben recht, Mister Bond. Genau das bin ich: ein Wahnsinniger. Alle großen Männer sind wahnsinnig. Sie sind von einem Wahn besessen, der sie ihrem Ziel entgegentreibt. Die großen Wissenschaftler, die Künstler, die Philosophen, die religiösen Führer – allesamt Wahnsinnige. Was außer einer blinden Konzentration auf einen einzigen Zweck hätte ihr Genie in diese Richtung treiben und dafür sorgen können, dass sie ihr Ziel niemals aus den Augen verlieren? Wahnsinn, mein lieber Mister Bond, ist so unbezahlbar wie Genie. Energieverschwendung, geteilte Aufmerksamkeit, Antriebslosigkeit, fehlendes Durchhaltevermögen – das alles sind Laster der Herdentiere.« Doktor No lehnte sich auf seinem Sessel zurück. »Ich habe diese Laster nicht. Ich bin, wie Sie ganz richtig festgestellt haben, ein Wahnsinniger – ein Wahnsinniger, Mister Bond, dessen Macht im Wahn liegt. Das« – die schwarzen Augen funkelten Bond durch die Kontaktlinsen hindurch ausdruckslos an – »ist der Sinn meines Lebens. Deswegen bin ich hier. Deswegen sind Sie hier. Deswegen existiert das alles hier überhaupt.«
    Bond nahm sein Glas und leerte es. Dann schenkte er sich aus dem Mixbecher nach. »Das überrascht mich nicht«, erwiderte er. »Es ist die alte Geschichte von Leuten, die glauben, sie seien der König von England oder der Präsident der Vereinigten Staaten oder Gott. Die Irrenanstalten sind voll mit ihnen. Der einzige Unterschied besteht darin, dass Sie nicht weggesperrt wurden, sondern sich stattdessen Ihre eigene Irrenanstalt gebaut und sich selbst darin eingesperrt haben. Aber warum haben Sie das getan? Warum verschafft es Ihnen eine Illusion von Macht, eingesperrt in dieser Zelle hier zu hocken?«
    Die Mundwinkel der dünnen Lippen zuckten verärgert. »Mister Bond, Macht bedeutet Souveränität. Clausewitz’ erstes Prinzip beruht darauf, sich eine sichere Basis zu schaffen. Von dort aus erlangt man dann Handlungsfreiheit. Zusammengenommen ergibt das Souveränität. Ich habe mir diese Dinge und noch einiges darüber hinaus gesichert. Niemand sonst auf der Welt besitzt sie im gleichen Maße wie ich. Sie
können
sie nicht haben. Die Welt ist zu öffentlich. Diese Dinge können nur in der Abgeschiedenheit gesichert werden. Sie reden von Königen und Präsidenten. Wie viel Macht besitzen diese Leute? So viel, wie ihr Volk ihnen zugesteht. Wer auf der Welt hat die Macht über Leben und Tod über sein Volk? Können Sie mir nun, da Stalin tot ist, auch nur einen einzigen außer mir nennen? Und wie habe ich diese Macht, diese Souveränität erlangt? Durch Geheimhaltung. Dadurch, dass niemand etwas davon
weiß
. Durch die Tatsache, dass ich niemandem Rechenschaft schuldig bin.«
    Bond zuckte mit den Schultern. »Das ist nur die Illusion von Macht, Doktor No. Jeder Mann mit einem geladenen Revolver hat die Macht über Leben und Tod über seinen Nachbarn. Schon ganz andere Leute als Sie haben im Geheimen gemordet und sind damit davongekommen. Am Ende bekommen sie jedoch im Allgemeinen ihre gerechte Strafe. Eine größere Macht als die, die sie besitzen, wird von der Öffentlichkeit auf sie ausgeübt. Das wird auch Ihnen widerfahren, Doktor No. Ich versichere Ihnen, dass Ihr Streben nach Macht nichts weiter als eine Illusion ist, weil Macht an sich nichts weiter als eine Illusion ist.«
    »Das Gleiche gilt für Schönheit, Mister Bond«, erwiderte Doktor No gleichmütig. »Und ebenso für Kunst, Geld und den Tod. Und vermutlich auch für das Leben. Diese Begrifflichkeiten sind relativ. Ihre Wortspielereien schockieren mich nicht. Ich kenne mich mit Philosophie, Ethik und Logik aus – besser als Sie, möchte ich behaupten. Aber lassen wir diese fruchtlose Debatte hinter uns. Kehren wir lieber an den Anfang

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