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James Bond 06 - Dr. No (German Edition)

James Bond 06 - Dr. No (German Edition)

Titel: James Bond 06 - Dr. No (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Fleming
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zurück, zu meinem wahnhaften Streben nach Macht, oder, wenn Ihnen das besser gefällt, nach der Illusion von Macht. Und bitte, Mister Bond«, wieder wurde das ewige Lächeln breiter, »bitte bilden Sie sich nicht ein, dass eine halbe Stunde der Unterhaltung mit Ihnen meine Lebenseinstellung verändern wird. Beschäftigen Sie sich lieber mit der Geschichte meines Strebens nach, sagen wir einfach, einer Illusion.«
    »Fahren Sie fort.« Bond sah zu Honey. Ihre Blicke trafen sich. Sie hob eine Hand an ihren Mund, als ob sie ein Gähnen verbergen müsste. Bond grinste sie an. Er fragte sich, wann Doktor No Gefallen daran finden würde, ihre gleichgültige Fassade zu zerbrechen.
    »Ich werde mich bemühen, Sie nicht zu langweilen«, sagte Doktor No freundlich. »Tatsachen sind so viel interessanter als Theorie, finden Sie nicht auch?« Doktor No schien keine Erwiderung zu erwarten. Er konzentrierte seinen Blick auf die elegante Tulpenschnecke, die mittlerweile bereits die Hälfte der dunklen Glasscheibe hinter sich gebracht hatte. Ein paar kleine silberne Fische huschten durch die schwarze Leere. Ein vages, bläuliches Leuchten schlängelte sich durchs Wasser. Oben an der Decke schienen die Sterne nun heller durchs Glas.
    Die Künstlichkeit der Szene im Inneren des Raums – die drei Menschen, die auf bequemen Sesseln saßen, die Getränke auf der Anrichte, der schwere Teppich, die Stehlampen – wirkte plötzlich vollkommen lächerlich auf Bond. Selbst die Dramatik und die Gefahr der Situation waren verglichen mit dem Fortschritt der Tulpenschnecke an der Außenseite der Glasscheibe vergänglich und vollkommen bedeutungslos. Angenommen, das Glas brach. Angenommen, die Druckverhältnisse waren falsch berechnet worden und die Ausführung war fehlerhaft. Angenommen, das Meer beschloss, sich ein wenig stärker gegen die Scheibe zu lehnen.
    »Ich war das einzige Kind eines deutschen Methodistenmissionars und einer Chinesin aus gutem Hause«, begann Doktor No. »Ich wurde in Peking geboren, allerdings in ‚außerehelichen Verhältnissen‘, wie man so schön sagt. Ich war eine Belastung. Eine Tante meiner Mutter wurde dafür bezahlt, mich aufzuziehen.« Doktor No hielt inne. »Keine Liebe, verstehen Sie, Mister Bond. Ein Mangel an elterlicher Fürsorge. Der Samen war gesät. Ich arbeitete in Shanghai und kam dort mit den Tongs und ihren illegalen Geschäften in Kontakt. Ich fand Gefallen an den Verschwörungen, den Einbrüchen, den Morden, der Brandstiftung an versichertem Besitz. Das alles stellte eine Rebellion gegen die Vaterfigur dar, die mich verraten und im Stich gelassen hatte. Ich liebte den Tod und die Zerstörung von Menschen und Gegenständen. Ich wurde zu einem wahren Meister der Kriminalität – wenn Sie es so nennen möchten. Dann gab es Schwierigkeiten. Ich musste aus dem Weg geschafft werden. Die Tongs erachteten mich jedoch als zu wertvoll, um mich einfach zu töten. Also wurde ich in die Vereinigten Staaten geschmuggelt. Ich ließ mich in New York nieder. Ich hatte ein codiertes Empfehlungsschreiben für eine der beiden mächtigsten Tongs in Amerika erhalten – die Hip Sings. Ich habe nie erfahren, was in dem Schreiben stand, aber sie stellten mich sofort als Prokuristen ein. Zu gegebener Zeit, als ich dreißig war, wurde ich zum Äquivalent eines Schatzmeisters befördert. Die Schatzkammer enthielt über eine Million Dollar. Ich wollte dieses Geld. Dann begannen die großen Tong-Kriege der späten Zwanziger. Die beiden großen New Yorker Tongs, meine eigene, die Hip Sings, und unsere Rivalen, die On Lee Ongs lieferten sich erbitterte Kämpfe. Im Laufe der Wochen wurden auf beiden Seiten Hunderte getötet und ihre Häuser und Besitztümer niedergebrannt. Es war eine Zeit der Folter, des Mordes und der Brandstiftung, der ich mich mit Freuden anschloss. Dann folgten die Überfallkommandos. Fast die gesamten Einsatzkräfte der New Yorker Polizei wurden mobilisiert. Die beiden Untergrundarmeen wurden auseinandergezwungen, die Hauptquartiere der beiden Tongs durchsucht und ihre Anführer ins Gefängnis gesteckt. Ich erhielt einen Hinweis bezüglich der Razzia bei meiner Tong, den Hip Sings. Ein paar Stunden vor dem Übergriff öffnete ich den Tresor, plünderte die eine Million Dollar in Gold, setzte mich nach Harlem ab und tauchte unter. Ich war ein Narr. Ich hätte Amerika verlassen und mich im hintersten Winkel der Welt verstecken sollen. Selbst aus den Todeszellen in Sing Sing konnten die Anführer meiner

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