James Bond 06 - Dr. No (German Edition)
besitze auf Jamaika eine kleine, aber effiziente Organisation. Ich brauche sie. Ich habe eine Überwachung der Geheimdienste auf Jamaika und Kuba eingerichtet. Es ist für meine weiteren Unternehmungen unerlässlich. Ihr Mister Strangways wurde misstrauisch und fing an, herumzuschnüffeln. Glücklicherweise waren mir die Routinen des Mannes zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt. Sein Tod und der der Frau waren lediglich eine Frage des Timings. Ich hatte gehofft, Sie ebenso schnell aus dem Weg schaffen zu können. Sie hatten Glück. Aber aus den Akten des King’s House wusste ich, was für eine Art Mann Sie sind. Ich vermutete, dass die Fliege zur Spinne kommen würde. Ich war bereit für Sie, und als das Kanu auf unserem Radarbildschirm auftauchte, wusste ich, dass Sie mir nicht entkommen würden.«
»Ihr Radar ist nicht besonders zuverlässig. Es gab zwei Boote. Das Kanu, das Sie gesehen haben, gehörte meiner Begleiterin. Ich versichere Ihnen, dass sie nichts mit mir zu tun hatte.«
»Dann hat sie wohl einfach Pech. Zufälligerweise benötige ich eine weiße Frau für ein kleines Experiment. Und wie wir eben schon festgestellt haben, Mister Bond, bekommt man für gewöhnlich, was man will.«
Bond sah Doktor No nachdenklich an. Er fragte sich, ob sich der Versuch, diesen unbeugsamen Mann einzuschüchtern, überhaupt lohnte. Würde es etwas bringen, ihm zu drohen oder zu bluffen? Bond hatte nur schlechte Karten, und der Gedanke, sie auszuspielen, langweilte ihn. Beiläufig und gleichgültig tat er es trotzdem.
»Dann haben Sie wohl ebenfalls Pech gehabt, Doktor No. Über Sie steht jetzt alles in einer Akte in London. Meine Gedanken zu diesem Fall, die Sache mit dem vergifteten Obst, dem Hundertfüßer sowie dem zerstörten Auto – alles wurde dokumentiert. Das Gleiche gilt für Miss Chungs und Miss Taros Namen. Jemand auf Jamaika hat die Anweisung, dass mein Bericht geöffnet und entsprechend gehandelt werden soll, falls ich nicht innerhalb von drei Tagen von Crab Key zurückkehre.«
Bond hielt inne. Doktor Nos Gesicht wirkte vollkommen ungerührt. Weder seine Augen noch sein Mund hatten gezuckt. Seine Halsschlagader pochte gleichmäßig. Bond beugte sich vor und sagte leise: »Aber wegen des Mädchens, und nur ihretwegen, Doktor No, werde ich einen Handel mit Ihnen abschließen. Im Austausch für unsere sichere Rückkehr nach Jamaika erhalten Sie eine Woche Vorsprung. Sie dürfen Ihr Flugzeug und Ihren Umschlag mit Briefmarken nehmen und versuchen, zu entkommen.«
Bond lehnte sich zurück. »Interessiert, Doktor No?«
HORIZONTE DER QUAL
»Das Abendessen ist angerichtet«, sagte eine leise Stimme hinter Bond. Er wirbelte herum. Es war der Leibwächter. Neben ihm befand sich ein zweiter Mann, der sein Zwilling hätte sein können. Sie standen einfach da – zwei stämmige Muskelberge – und schauten über Bonds Kopf hinweg zu Doktor No.
»Ah, schon neun Uhr.« Doktor No erhob sich langsam. »Kommen Sie. Wir können unsere Unterhaltung in einer intimeren Umgebung fortsetzen. Es ist sehr freundlich von Ihnen beiden, dass Sie mir mit so beispielhafter Geduld zugehört haben. Ich hoffe, die Bescheidenheit meiner Küche und meines Weinkellers wird sich nicht als weitere Zumutung erweisen.« In der Wand hinter den beiden in weiße Jacketts gekleideten Männern stand eine Doppeltür offen. Bond und das Mädchen folgten Doktor No in einen kleinen achteckigen, holzvertäfelten Raum, der von einem silbernen Kronleuchter erhellt wurde, dessen Kerzen von Sturmgläsern umgeben waren. Darunter befand sich ein runder Mahagonitisch, der für drei Personen gedeckt war. Silber und Glas funkelten warm. Der schlichte dunkelblaue Teppich war verschwenderisch dick. Doktor No nahm den mittleren Stuhl mit hoher Lehne und bedeutete Honey mit einer Kopfbewegung, auf dem Stuhl zu seiner Rechten Platz zu nehmen. Sie setzten sich und falteten die weißen Seidenservietten auseinander. Die bedeutungslose Zeremonie und der elegante Raum trieben Bond in den Wahnsinn. Er hatte das dringende Bedürfnis, alles kurz und klein zu schlagen – und seine Seidenserviette um Doktor Nos Hals zu wickeln und zuzuziehen, bis die Kontaktlinsen aus diesen abscheulichen schwarzen Augen ploppten.
Die beiden Wachen trugen weiße Baumwollhandschuhe. Sie servierten das Essen mit einer höflichen Effizienz, die durch ein gelegentliches chinesisches Wort von Doktor No angetrieben wurde.
Zuerst wirkte Doktor No, als wäre er mit den Gedanken woanders.
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