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Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Titel: Jan Fabel 02 - Wolfsfährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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letzten drei Jahren entsprechend gewachsen sein. Außerdem gibt es Indizien, die das Opfer mit Ihrer Adresse in Verbindung bringen.« Fabel verschwieg den beiden den Zettel, den der Mörder dem toten Mädchen wie ein Etikett in die Hand gedrückt hatte.
    »Wie ist sie gestorben?«, fragte Frau Ehlers.
    »Ich glaube, darauf sollten wir erst eingehen, wenn wir sicher sein können, dass es sich um Paula handelt«, antwortete Fabel. Die Verzweiflung in Frau Ehlers’ Augen schien sich zu verstärken, und ihre Unterlippe zitterte. Fabel ließ sich erweichen. »Das Opfer wurde erwürgt.«
    Frau Ehlers Körper wurde von stummen Schluchzern geschüttelt. Anna trat vor und wollte ihr einen Arm um die Schulter legen, doch die Frau wich zurück. Es kam zu einem verlegenen Schweigen, und Fabels Blick glitt durch das Zimmer. An der Wand hing ein großes eingerahmtes Foto. Es war anscheinend mit einer gewöhnlichen Kamera aufgenommen und dann stark vergrößert worden. Der Hintergrund war körnig, und das Mädchen im Zentrum des Bildes hatte vom Blitzlicht gerötete Pupillen. Paula Ehlers lächelte hinter einer mächtigen Geburtstagstorte, die mit der Zahl Dreizehn geschmückt war, in die Kamera. Fabel packte ein Frösteln, als er begriff, dass sie ihn einen Tag vor der Entführung anlächelte.
    »Wann können wir sie sehen?«, wollte Herr Ehlers wissen.
    »Wir haben mit der Ortspolizei vereinbart, Sie heute Abend vorbeibringen zu lassen, wenn Ihnen das recht ist«, antwortete Anna. »Wir werden uns dort mit Ihnen treffen. Ein Wagen holt Sie gegen 21.30 Uhr ab. Ich weiß, das ist spät…«
    Herr Ehlers schnitt ihr das Wort ab. »Das macht nichts. Wir werden bereit sein.«
    Auf dem Rückweg zum Auto bemerkte Fabel eine gewisse Anspannung in Annas Bewegungen. Sie schwieg.
    »Alles in Ordnung?«, fragte er.
    »Eigentlich nicht.« Sie schaute zurück zu dem traurigen Häuschen mit seinem gepflegten Garten und seinem roten Dach. »Es war schwer. Ich weiß nicht, wie sie es so lange ausgehalten haben. All das Warten. All die Hoffnung. Sie haben sich darauf verlassen, dass wir ihre Tochter finden. Das ist uns nun auch gelungen, aber wir können sie ihnen nicht lebendig zurückbringen.«
    Fabel deaktivierte die Alarmanlage des Autos mit einem Piepton und antwortete erst, nachdem sie eingestiegen waren. »So ist es leider. Happyends gibt’s nur im Film, nicht im wirklichen Leben.«
    »Aber sie scheinen uns zu hassen.«
    »Das tun sie auch«, erwiderte Fabel resigniert. »Und wer will es ihnen verübeln? Es stimmt ja, dass wir ihnen ihre Tochter lebendig zurückbringen sollten, statt ihnen mitzuteilen, dass wir die irgendwo zurückgelassene Leiche gefunden haben. Sie haben ein Happyend von uns erwartet.« Fabel ließ den Motor an. »Aber wir müssen uns auf den Fall konzentrieren. Es wird Zeit, dass wir mit Kriminalkommissar Klatt sprechen.«
    Norderstedt steht unter doppelter Verwaltung. Es ist ein Teil von Groß-Hamburg, seine Telefonnummern haben die Hamburger Vorwahl 040, und als Fabel und Anna durch Fuhlsbüttel und Langenhorn nach Norderstedt hineinfuhren, hatten sie das Gefühl, sich in einem zusammenhängenden Stadtgebiet zubefinden. Doch in Norderstedt ist nicht die Polizei Hamburg, sondern die Landespolizei Schleswig-Holstein zuständig. Wegen der geografischen Nähe und der ständigen Überschneidung von Fällen haben die Norderstedter Polizisten jedoch häufiger mit ihren Hamburger Kollegen Kontakt als mit ihrer eigenen Truppe in der sanften Landschaft und den Kleinstädten von Schleswig-Holstein. Anna hatte Kommissar Klatt angerufen und mit ihm ein Treffen im Polizeirevier Norderstedt-Mitte in der Rathausallee vereinbart.
    Dort angekommen, wurden sie nicht wie erwartet in die Amtsräume der Kriminalpolizei, sondern vielmehr von einer jungen uniformierten Polizistin in ein nüchternes, fensterloses Vernehmungszimmer geführt. Die Schutzpolizistin fragte sie, ob sie einen Kaffee wünschten, und beide bejahten.
    Anna schaute sich bedrückt um und sah, nachdem die Polizistin hinausgegangen war, Fabel vielsagend an. »Nun weiß ich, was es heißt, zu den Verdächtigten zu gehören«, meinte sie.
    Fabel lächelte ironisch. »Genau. Meinst du, das hier soll eine Anspielung sein?«
    Bevor Anna Zeit hatte, etwas zu entgegnen, sprang die Tür des Vernehmungszimmers auf, und ein Mann von Anfang dreißig trat ein. Er war recht klein, doch kräftig gebaut und hatte ein großes, freundliches, unauffälliges Gesicht, das von dunklem Haar

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