Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Jan Fabel 04 - Carneval

Titel: Jan Fabel 04 - Carneval Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
Vom Netzwerk:
einzunehmen. Heute können wir nur feststellen, ob in Ihrem Körper genug Testosteron für einen positiven Test vorhanden ist. Aber ich bin mir sicher, dass Sie sich alles genau ausgerechnet haben. Ich meine, unter Berücksichtigung dieses Wettbewerbs.«
    Andreas lodernder Zorn ließ sie aufspringen. Der Arzt blieb unbeeindruckt und schloss seine Tasche mit einem Klicken. »Ungewöhnlich hohe Aggressivität ist ein häufiger Nebeneffekt, Frau Sandow.« Er musterte sie von oben bis unten. »Und ich muss sagen, dass Sie eine äußerst ungesunde Person sind. An Ihrem Mundgeruch, Ihren Kopfschuppen und Ihren entzündeten Augenrändern kann ich ablesen, dass Sie sehr stark dehydriert sind. Bitte folgen Sie meinem ärztlichen Rat: Nehmen Sie sofort Flüssigkeiten zu sich, und zwar viel.«
    Sie richtete sich zu voller Größe auf, spannte die Bauchmuskeln und straffte die Schultern. »Das halten Sie also für ungesund?«, fragte sie höhnisch.
    »Allerdings. Sie haben Ihren inneren Organen bereits schweren Schaden zugefügt. Allein die regelmäßige Dehydrierung muss Ihrer Leber und Ihren Nieren bereits erheblich zugesetzt haben. Ich vermute, Frau Sandow, dass Sie Testosteron als Grundlage für eine Gruppe von Steroiden benutzt haben. Und Ihre ausgeprägte Vaskularität« – er deutete auf die geschwollenen Venen an ihren Unterarmen und am Bizeps – »legt den Verdacht nahe, dass Sie die Einnahme von Boldenon riskiert haben. Die schlechte Nachricht ist, dass Boldenon eine feststellbare Halbwertzeit von fast sechs Monaten hat.«
    »Sie dagegen wissen nicht, dass ich mich weitaus besser mit der menschlichen Physiologie auskenne, als Sie es sich vorstellen können.« Andrea setzte ein maskulines Lächeln auf. »Wie gesagt, Sie werden durch diese Tests nichts finden. Und wenn ich früher Steroide genommen habe? Die sollten legal sein, denn sie gehören wie eine proteinreiche Ernährung zu unserem Sport.«
    Der Arzt und die Krankenschwester gingen auf die Tür zu. Vorher drehte er sich noch einmal um und schüttelte betrübt den Kopf. »Sie machen Ihrem Namensvetter Schande, Frau Sandow. Ich hoffe, dass Eugen Sandow kein direkter Vorfahr von Ihnen ist. Seine Vision für diesen Sport bestand darin, das Ethos der klassischen Gymnasia nachzuahmen. Vollkommene Symmetrie und Balance zu erzielen. Zu gestalten … nicht zu entstellen. Menschen wie Sie haben einen großartigen Sport zu einer Freakshow gemacht. Wie gesagt, der Dachverband wird Sie über die Testergebnisse unterrichten.«
    Andrea blieb allein mit Maxine zurück, die einen Arm um ihre mächtigen Schultern legte. »Mach dir nichts draus, Kind«, sagte sie auf Englisch. »Diese Tests überstehst du ohne Probleme. Wovon hat der alte Knabe denn eigentlich geschwafelt?«
    »Von nichts«, meinte Andrea. »Von überhaupt nichts. Lass uns heute Abend einen draufmachen, wie du vorgeschlagen hast.«
    Andrea lächelte wieder, doch tief in ihrem Innern toste ein dunkles Feuer. Sie dachte an den großspurigen kleinen Arzt und an seine noch viel enervierendere Krankenschwester, die stumm, vorwurfsvoll und untertänig danebengestanden hatte. Sie waren sich ihrer selbst so sicher. Aber sie konnten nicht ahnen, dass Andrea nicht nur stark, sondern auch intelligent war. In der Probe würde sich nichts finden lassen.
    Heute Abend würde sie sich mit Maxine in der Stadt amüsieren, doch bald, sehr bald, war es Zeit, ihren Zorn abzukühlen.
    12.

    Scholz war in die Küche gegangen, um ein Bier für sich selbst zu holen und einen Kaffee für Fabel zu kochen. Dieser breitete die Fotos der beiden Opfer nebeneinander auf dem Couchtisch aus: Bilder im Leben und im Tod.
    »Vor meiner Fahrt hierher habe ich mit einem Anthropologen gesprochen«, rief er zur Küche hin. »Er ist Experte für das Ideal weiblicher Schönheit im Lauf der Epochen. Dabei interessiert er sich weniger für das, was schön ist, als für das, was wir für schön halten. Es gab eine Zeit, in der diese beiden Frauen dem Ideal genau entsprochen hätten: ein wenig birnenförmig, schlanker Oberkörper und ein bisschen Fleisch um Hüften und Bauch. Genauer gesagt, das wäre bis zum Ersten Weltkrieg der Fall gewesen. Dann kam der Backfisch, danach die Sanduhrfigur und schließlich die dürre Gestalt.«
    »Und worauf willst du hinaus?« Scholz war aus der Küche aufgetaucht und reichte Fabel eine Tasse Kaffee.
    »Diese Frauen hatten für die heutige Zeit die falsche Figur. Vielleicht wollten sie daran etwas ändern.« Fabel begann,

Weitere Kostenlose Bücher