Jan Fabel 04 - Carneval
Magen. »Wie geht denn deine zweite Ermittlung voran?«, fragte er so zwanglos wie möglich.
»Der Biarritz-Fall? Da machen wir kaum Fortschritte. Ehrlich gesagt, ich halte mich ein bisschen im Hintergrund. Es gibt nämlich noch andere Interessenten … Das BKA und die Abteilung Organisierte Kriminalität haben sich gleich darauf gestürzt.«
»Tatsächlich?«
»Ja. Ich bin zwar noch beteiligt – alles, was sie herausfinden und was von Belang für den eigentlichen Mord ist, soll an mich weitergegeben werden –, aber ich habe das Gefühl, dass es um einen viel größeren Zusammenhang geht. Aus der Mitwirkung der BKA-Arbeitsgruppe schließe ich, dass es sich um die Molokow-Witrenko-Bande handelt.«
»Die kenne ich gut. Besonders Wassil Witrenko. Unsere Wege haben sich gekreuzt.«
»Wirklich?« Scholz hob die Augenbrauen. »Das muss ein gefährlicher Weg sein, wie man hört.«
Fabel lächelte bitter. Es war schwer zu beurteilen, wie viel Scholz über seine und Marias Zusammenstöße mit Witrenko wusste. »Diese Frau, mit der man das Opfer hat sprechen sehen« – wieder versuchte Fabel sich im Plauderton –, »ein oder zwei Tage vor dem Mord – du hast gesagt, sie hätte einen offiziellen Eindruck gemacht. Als gehöre sie zur Polizei oder zur Ausländerbehörde. Habt ihr der Sache auf den Grund gehen können?«
»Das ist eine merkwürdige Geschichte«, antwortete Scholz. »Wir können sie immer noch mit keiner Behörde in Verbindung bringen. Vielleicht hat sie nur einen offiziellen Eindruck gemacht.«
»Mag sein.« Fabel nahm einen Schluck von seinem Bier, beobachtete jedoch Scholz’ Gesicht, während er die Akten auf dem Couchtisch ausbreitete. »Wahrscheinlich war es völlig belanglos …«
»Oh, da bin ich mir nicht sicher. Die Arbeitsgruppe, die das BKA für Witrenko und Molokow aufgestellt hat, scheint ziemlich großen Wert darauf zu legen, sie zu finden. Oder sie durch mich aufspüren zu lassen.«
11.
Andreas für den Wettbewerb aufgepumpter Körper machte es dem Arzt leicht, eine Vene ausfindig zu machen. Dann begleitete die Krankenschwester Andrea zur Toilette und wartete vor der Kabine, bis sie mit der Urinprobe herauskam. Während des gesamten Verfahrens benahm Andrea sich bewusst freundlich – ein Verhalten, das so echt war wie ihr breites, albernes Grinsen auf dem Podium. Sie scherzte sogar mit der mürrischen kleinen Assistentin, obwohl deren schwaches, schlaffes Gesicht und formloser Körper sie mit Abscheu und Hass erfüllte.
Auch der Arzt gefiel Andrea nicht besonders gut. Er war ein arroganter, ernster kleiner Mann, der Andrea nüchtern befahl, den Arm auszustrecken, und ihr sonst kein Wort widmete.
»Wann bekomme ich den Befund?«, fragte Andrea noch immer lächelnd, obwohl sie dem blasierten Kümmerling am liebsten den Kopf von den Schultern gerissen hätte.
»Sie erhalten keinen Befund. Er geht direkt an den Dachverband. Dieser wird Sie über die Ergebnisse in Kenntnis setzen. Aber ich werde Ihnen die Hälfte jeder Probe überlassen, damit Sie unabhängige Tests durchführen lassen können, falls Sie Einspruch gegen den Befund einlegen wollen.«
Andrea unterdrückte den Impuls, ihm ihre manikürte Faust in das selbstgefällige Gesicht zu rammen. »Es wird nichts geben, wogegen ich Einspruch erheben müsste.«
Der Arzt stand auf und legte seine Geräte wieder in seine Tasche. »Meine Dame, ich bin Arzt. Ich habe Tests für die Dachverbände einer Reihe von Sportorganisationen durchgeführt. Und ich werde Ihnen etwas sagen: Muskelhypertrophie ist ein männliches Phänomen, besonders eine solche wie Ihre. Das ist eine unstrittige medizinische Tatsache, keine Meinung. Frauen können ihre Muskeln zwar durch Gewichtstraining stärken, doch in einem viel geringeren Grade. Nur Männer können eine solche Muskelmasse wie Sie entwickeln, ohne zu verbotenen Substanzen zu greifen. Und sogar Männer mittleren Alters verlieren die Muskelmasse und -definition, die sie in ihrer Jugend hatten. Warum? Weil ihr Testosteronspiegel zu sinken beginnt. Testosteron, Frau Sandow. In der Menge, die nur bei jüngeren Männern auf natürliche Art vorkommt. Männer haben einen fast zehnmal so hohen Testosteronspiegel wie Frauen.«
»Wollen Sie mir etwa Betrug vorwerfen?« Das Lächeln war nun von Andreas Lippen verschwunden.
»Ich werfe niemandem etwas vor, sondern lege nur eine medizinische Tatsache dar. Sie hätten Ihren Körperbau nicht erzielen können, ohne beträchtliche Mengen Testosteron
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