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Jan Fabel 04 - Carneval

Titel: Jan Fabel 04 - Carneval Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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Jedes Mal, wenn wir es taten. Sie hatte nämlich keinen richtigen Spaß daran, wenn sie nicht ordentlich zusammengeschnürt war.«
    »Danke für die Mitteilung …« Fabel lächelte trocken. Allmählich fühlte er sich ein wenig benommen und fürchtete wie immer in solchen Fällen, die Kontrolle zu verlieren. Deshalb beschloss er, sein Bier langsamer zu trinken.
    »Es war irgendwie so, als könnte sie sonst nicht auf Touren kommen«, fuhr Scholz fort. Seine Stirn glättete sich, und er grinste. »Es geht nicht nur darum, Einblick in mein schmutziges Privatleben zu bieten. Ich will darauf hinaus, dass ich in meinem Berufsleben auf viele eigenartige Dinge gestoßen bin und auch auf das eine oder andere in meinem Privatleben, dass ich mir aber trotzdem nicht vorstellen kann, wie irgendein Spinner Spaß daran hat, andere Menschen zu essen.«
    Fabel saß auf dem Sofa und stocherte mäkelig in der Pizza herum, die Scholz auf der Fahrt zu seiner Wohnung bestellt hatte. Es war Scholz’ Vorschlag gewesen, die Akten aus seinem Büro zu holen, einen Imbiss zu besorgen und sein Apartment anzusteuern. Da es ein langer Abend werden würde, sollten sie es sich wenigstens bequem machen.
    »Ich kann wirklich sagen, dass es kaum etwas gibt, was ich im Laufe der Jahre nicht gesehen habe«, meinte Fabel. »Im beruflichen Bereich, meine ich. Das war einer der Gründe für meine Kündigung.«
    Scholz beobachtete Fabel beim Hantieren mit der Pizza. »Schade, dass sie keinen Heringsbelag hatten.«
    Fabel lachte. »Komisch, hier unten macht ihr Witze darüber, dass wir im Norden nichts als Fisch essen. In Wirklichkeit liegt es daran, dass Fisch für uns als Küstenmenschen die am leichtesten zugängliche Nahrungsquelle ist. Auch die Art, wie wir Kontakt zu anderen Kulturen herstellen, spielt eine Rolle. Kennst du das Hamburger Gericht Labskaus?«
    »Ich glaube, ich habe davon gehört«, sagte Scholz, ohne eine Miene zu verziehen.
    »Skandinavische Matrosen haben es in Hamburg eingeführt. Dann brachten wir das Rezept nach England. Die meisten Briten haben noch nie davon gehört, aber die Einwohner von Liverpool werden scousers nach einer Variation des Wortes Labskaus genannt, weil das Gericht dort so beliebt war. Ich will damit sagen, dass unsere Ernährung durch die verfügbaren Speisen und unsere Kontakte bestimmt wird. Heutzutage kann man natürlich jeden Supermarkt betreten und sich beliebige Lebensmittel kaufen, aber die alten, seit Generationen existierenden Gebräuche bleiben bestehen. Es ist, als würden wir positive und negative Vorurteile gegenüber gewissen Nahrungsmitteln erben. Womit ich wieder bei unserem Karnevalskannibalen bin. Seltsamerweise haben wir immer Tabuspeisen gehabt. Zum Beispiel Schweinefleisch. Sogar hier, wo so viel Fleisch gegessen wird, und auch weiter südlich rühren viele kein Schweinefleisch an.«
    »Was?« Scholz wirkte skeptisch. »Südlich des ›Weißwurstäquators‹ …?«
    »Sogar dort, unter den eifrigsten Fleischessern, wollen manche nichts von einem Schwein verzehren. Schweinefleisch ist die am meisten verbreitete Tabuspeise auf dem Planeten. Die Muslime weigern sich, es zu sich zu nehmen, den Juden ist es verboten, und angeblich gab es sogar bei den Hochlandschotten ein uraltes Verzehrverbot. Es muss etwas mit der Ähnlichkeit zwischen Schweine- und Menschenfleisch zu tun haben, die im heutigen Zeitalter der Xenotransplantation, in dem Menschen genetisch modifizierte Schweineorgane eingepflanzt werden, wissenschaftlich bewiesen wurde. Stämme auf Papua-Neuguinea bezeichnen andere Menschen interessanterweise als ›Langschweine‹.«
    »Du glaubst also, dass sich das Tabu entwickelt hat, weil Schweinefleisch an Menschenfleisch denken lässt?«
    »Vielleicht rührt es aus einer tief sitzenden kulturellen Erinnerung an den Kannibalismus her. Unsere Ablehnung des Kannibalismus ist eng mit unserem Verständnis von Zivilisation verbunden. Der europäische Kolonialismus des neunzehnten Jahrhunderts wurde oft damit gerechtfertigt, dass man die Eingeborenen vor sich selbst retten müsse. Und als Musterbeispiel für primitives Verhalten nannte man den Kannibalismus.«
    Scholz hob sein Bier an die Lippen. »Wir haben der Presse die Einzelheiten der Morde verschwiegen und nicht einmal eine Beziehung zwischen ihnen hergestellt. Wie du erwähnt hast, versetzt die Vorstellung, dass hier ein Kannibale auf der Jagd sein könnte, die Leute in helle Panik. Und die Medien würden’s begeistert

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