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Jan Fabel 04 - Carneval

Titel: Jan Fabel 04 - Carneval Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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aufzuzeichnen: wer Molokows Villa besuchte, wann jemand eintraf oder das Haus verließ, die Nummernschilder der hinein- und hinausfahrenden Autos. Dabei wartete sie ständig auf die Ankunft von Witrenko. Zwar weigerte sie sich, ihren Partnern die erforderlichen Zugangscodes zu nennen, aber sie teilte ihnen ihre bis dahin gesammelten Erkenntnisse mit. Dies, so redete sie sich ein, konnte noch als legitimer Informationsaustausch zwischen Vollzugsbehörden betrachtet werden.
    Ihre Situation, erklärte Buslenko, ähnele der von zwei Jägern, die sich gleichzeitig in einem Wald aufhielten. Es sei Buslenkos, Sarapenkos und Marias Aufgabe, das Wild schneller als das BKA zu erlegen, und zwar unbemerkt. Die Zugangscodes sollten ihm lediglich dazu dienen, das Versteck des anderen Jägers im Wald zu finden. Maria wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis Buslenko nachdrücklicher auftrat.
    Als sie am dritten Tag vor den Monitoren saß, fiel ihr Blick auf einen riesigen schwarzen Lexus, der sich dem Tor der Villa näherte und sofort eingelassen wurde. Buslenkos Überwachungskamera war so weit vom Haus entfernt, dass sie die Männer, die aus dem Lexus ausstiegen, nur verschwommen wiedergab. Aber die letzte Gestalt ließ Maria einen Schauer über den Rücken laufen.
    »Olga!«
    Sarapenko rannte herbei. »Was ist los?«
    »Dort …« Maria merkte, wie sich ihre Kehle zusammenschnürte, als würde der Name sie ersticken, wenn sie ihn laut aussprach. »Das ist er.«
    »Woher willst du das wissen? Aus dieser Entfernung ist er nur ein Umriss.«
    »Das ist er. Als ich ihn das letzte Mal sah, war er auch nur eine Art Umriss, der über ein Feld rannte. Wo ist Taras?«
    »Er holt ein paar Sachen ab. Unser hiesiger Kontaktmann … es ist besser, wenn du es nicht erfährst.«
    »Ruf sein Handy an. Sag ihm, dass wir den Gesuchten gefunden haben und dass er zurzeit in Molokows Villa ist.« Sie betrachtete den Mann auf dem Monitor. Endlich. Endlich hatte sie ihn im Visier. Es verlieh Maria ein enormes Gefühl der Macht, dass sie ihn beobachten konnte und er nichts von der Überwachung ahnte. Die dunkle, unscharfe Gestalt, von deren Identität Maria absolut überzeugt war, drehte sich um, sprach mit einem der Leibwächter und verschwand dann in der Villa.
    Maria sah mit einer kalten, harten Miene leidenschaftlichen Hasses zu.
    »Nun«, sagte sie fast im Flüsterton, »nun habe ich dich.«
    3.

    Der Fernsehapparat flackerte stumm in der Ecke des Hotelzimmers. Eine Reihe von Funkenmariechen in rot-weißen Kostümchen, die den preußischen Militäruniformen des achtzehnten Jahrhunderts mit den dazugehörigen Dreispitzen nachempfunden waren, schwenkten die Beine in einer unbeholfen choreografierten Revue zu nicht hörbarer Musik. Im Hintergrund führte der Elferrat mit gezwungener Fröhlichkeit den Vorsitz. Der Karneval näherte sich seinem Höhepunkt am Rosenmontag. Fabel lag auf seinem Hotelbett, schaute mit leerem Blick auf den Bildschirm und dachte daran, dass sich der Karnevalskannibale wahrscheinlich ebenfalls auf seinen großen Auftritt in der Weiberfastnacht vorbereitete.
    Gerade hatte Fabel mit Susanne telefoniert; es war kein gelungenes Gespräch gewesen. Nachdem er ihr keinen genauen Zeitpunkt für seine Rückkehr nach Hamburg hatte nennen können, waren sie in Schweigen verfallen. Schließlich hatte Susanne erklärt, sie würden sich dann eben irgendwann in Hamburg sehen, und den Hörer aufgelegt.
    Er musterte das stumme Fernsehgerät, ohne die Tanzmädchen wahrzunehmen, die sich nacheinander seitwärts von der Bühne entfernten und von einem Mann abgelöst wurden, der mit einem Fass »bekleidet« war und eine Büttenrede halten würde. Fabel schaltete seine Nachttischlampe an und griff nach der Akte von Vera Reinartz, dem Mädchen, das 1999 in der Weiberfastnacht zusammengeschlagen und vergewaltigt worden war. Ein Foto zeigte Vera zusammen mit ein paar anderen Medizinstudentinnen. Sie war recht klein und hatte glanzlose Haare, wirkte aber trotzdem hübsch. Unsicher am Rand der Gruppe stehend, hatte sie offenbar wenig Gefallen daran, fotografiert zu werden. Das zweite Bild war an einem sonnigen Tag in einem Park oder Garten aufgenommen worden. Ihr helles Sommerkleid ließ ihre Figur erkennen: schlank, doch ein wenig birnenförmig mit fleischigen Hüften. Genau wie die Opfer des Karnevalskannibalen. Wieder sah sie aus wie jemand, der nicht gern Aufmerksamkeit erregte.
    Fabel überflog Veras Aussage, die ärztlichen Befunde und die

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