Jan Fabel 04 - Carneval
Entscheidung … Sie wissen schon, was Sie am Telefon gesagt haben. Ist das endgültig?«
»Ja.« Fabel dachte zurück an das Gespräch mit Wagner, den er aus seinem Büro in Hamburg angerufen hatte, sobald er von Dr. Minks über Marias Therapieabbruch informiert worden war und sich anschließend in ihrer Wohnung umgesehen hatte.
»Auch ich bin der Meinung, dass wir Frau Klee aus der Angelegenheit heraushalten müssen. Nicht nur, weil sie wieder unsere Operation gefährdet, sondern auch ihrer Gesundheit wegen. Aber lassen Sie mich ehrlich sein, Herr Fabel …«
»Jan, bitte …« Die Kölner Ungezwungenheit schien bei Fabel ihre Spuren hinterlassen zu haben.
»Um es offen zu sagen, Jan, ich glaube, dass Frau Klee als Polizeibeamtin keine Zukunft mehr hat.«
»Konzentrieren wir uns erst einmal darauf, ihr Leben zu retten.«
Fabel hatte den Dom früher nur ein einziges Mal besucht, und während Wagner und er durch das Doppelportal in den Innenraum traten, erinnerte er sich an seine damalige Ehrfurcht. Dies war zweifellos eines der beeindruckendsten Gebäude, die man je errichtet hatte. Das riesige Gewölbe, das sich vor ihnen öffnete, schien die Struktur des Bauwerks zu sprengen. Einen Moment lang blieben die beiden Männer stumm stehen und ließen die Majestät der Kathedrale und ihrer enormen Buntglasfenster auf sich wirken.
Auf dem Weg in den Innenraum kamen Fabel und Wagner an einem kleinen, stämmigen Mann mit dichtem sandfarbenem Haar und einem buschigen Schnurrbart vorbei. Er schien mehrere Wollschichten unter seinem Stockman-Mantel zu tragen. Seine Brille saß oben auf seinem Kopf, und er spähte stirnrunzelnd zu einer der detailreichen Buntglasscheiben empor. Mit einer Hand umklammerte er ein dickes Notizbuch und einen Kugelschreiber, mit der anderen einen Reiseführer.
»Entschuldigung …« Er drehte den Kopf und sprach die beiden auf Englisch an. »Könnten Sie mir sagen … Da oben ist ein Wappen. Sehen Sie.«
»Es repräsentiert wahrscheinlich eine der vermögenden Kaufmannsfamilien in Köln«, mutmaßte Fabel.
»Das ist sehr seltsam«, fuhr der Mann irritiert fort. »Es ist nämlich bestimmt … ganz bestimmt … ein Nashorn . Aber hier im Reiseführer heißt es, dass die Scheibe aus dem Mittelalter stammt. Ich dachte, dass man in Deutschland solche Tiere damals nicht gekannt hat.«
»Sind Sie Spanier?« Fabel beherrschte die Sprache seiner Mutter fließend und hatte im Englischen ein feines Gehör für ausländische Akzente.
»Ich wohne in Spanien, aber in Wirklichkeit bin ich Mexikaner. Mein Name ist Paco.« Der Tourist lächelte breit. »Ich bin Schriftsteller, und solche Dinge interessieren mich.« Er schüttelte respektvoll den Kopf. »Und dies ist eine faszinierende Stadt.«
»Leider kann ich Ihre Frage nicht beantworten. Ich komme nämlich aus Hamburg.«
»Vielleicht war es eine Familie, die Handel mit Afrika betrieben hat«, warf Wagner ein. »Aber Köln war zunächst eine römische Stadt und hatte im ganzen Reich Verbindungen. Es ist immer ein Handelszentrum für das übrige Europa gewesen. Für die Welt. Allerdings weiß ich leider auch nicht, welche Bedeutung das Nashorn hat.«
»Trotzdem vielen Dank«, sagte der Tourist.
Sie wollten gerade ihren Weg fortsetzen, als Wagner innehielt. »Oh, da fällt mir eine mögliche Bedeutung ein.«
»Wirklich?«
»Zahlreiche Symbole wurden aus heidnischen Zeiten übernommen, um die verschiedenen Aspekte Christi darzustellen. Im Mittelalter schätzte man Bestiarien und benutzte exotische Tiere als Symbole für Christus oder die Auferstehung. Der phönizische Mythos vom Phönix und das Bild des Pelikans repräsentierten beide die Wiedergeburt.«
»Warum der Pelikan?«, fragte Fabel.
»Damals glaubte man, dass sich Pelikane in Notsituationen die Brust aufreißen, um ihre Jungen mit ihrem Blut zu nähren.«
»Und das Nashorn?«, erkundigte sich der Tourist.
»Das Nashorn war ein Symbol für den Zorn Christi. Für die gerechte Rache Gottes.«
»Sehr interessant«, sagte der Mexikaner. »Vielen Dank.«
Fabel und Wagner ließen den Touristen zurück, der immer noch das Buntglasfenster betrachtete und verwundert den Kopf schüttelte.
»Eindrucksvoll«, kommentierte Fabel mit einem Lächeln.
»Ich bin in einer sehr katholischen Familie aufgewachsen«, sagte Wagner belustigt. »Davon bleibt einiges hängen.«
Fabel und Wagner setzten sich auf eine der Bänke. Daneben ragte ein riesiges Buntglasfenster empor und malte rote, grüne und blaue
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