Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Jan Fabel 04 - Carneval

Titel: Jan Fabel 04 - Carneval Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
Vom Netzwerk:
schonungslosen Krankenhausfotos. Die Schwere ihrer Quetschungen und die Rohheit der Abschürfungen und Schnitte in ihrem Gesicht und an ihrem Hals wurden durch die grelle Beleuchtung noch hervorgehoben. Von den früheren Bildern konnte er das Mädchen in der geschwollenen Fleischmasse nicht wiedererkennen. Auch die Wunden an ihrem Körper, darunter Bissverletzungen, waren aufgenommen worden. In Vergewaltigungsfällen kamen Bisswunden durchaus nicht selten vor, doch Fabel fand, dass Scholz die potenzielle Verbindung zu den Morden viel zu wenig überprüft hatte. Tansu Bakrac fiel es offenkundig schwer, sich im Schatten von Bennis scheinbar entspannter, doch äußerst direkter Führung zu behaupten.
    Wieder grübelte Fabel über die unbekannte Stadt jenseits des Hotelfensters nach: eine Stadt mit seltsamen Bräuchen, ihrem Karneval, ihren Tanzmädchen und kostümierten Clowns. Mit einem Mörder, der Frauen in der einen Nacht des Jahres auflauerte, in der sie frei von der Männerherrschaft sein sollten. Währenddessen brachte Maria sich in tödliche Gefahr, indem sie durch die Dunkelheit stolperte. Plötzlich fiel Fabel seine Verabredung für den folgenden Tag ein. Scholz durfte nichts davon wissen.
    Tansu hatte eine Menge Hintergrundinformationen über Vera Reinartz gesammelt. Sie war intelligent gewesen, intelligenter als ihre Kommilitonen, und hatte daher gute Aufstiegschancen in der Medizin, vor allem als Fachärztin oder in der Forschung. Sie hatte Freunde gehabt, doch die medizinische Untersuchung bestätigte ihre Aussage, sie sei Jungfrau gewesen. Wo bist du jetzt, Vera, dachte Fabel beim Lesen. Wie konntest du einfach untertauchen?
    Fabel gönnte sich ein üppiges Frühstück: Müsli mit Obst und Joghurt, zwei Brötchen mit Leberwurst und ein weich gekochtes Ei, dazu Obstsaft und Kaffee. Er verließ das Hotel zu früher Stunde, machte sich jedoch nicht zum Polizeipräsidium auf. Dies war die erste Chance seit seiner Ankunft in Köln, einen unbeobachteten Schritt zu machen, denn Scholz musste an einer Sitzung des Karnevalsausschusses der Polizei teilnehmen, die sich über den ganzen Morgen hinziehen würde. Anfangs hatte Fabel gedacht, es sei eine Strategiesitzung, auf der man über die umfassende und heikle Aufgabe, wie der Kölner Karneval unter Kontrolle zu halten sei, sprechen werde.
    »Schön wär’s«, hatte Scholz düster erläutert. »Es geht um unseren Karnevalswagen am Rosenmontag. Sie wollen meinen Kopf rollen sehen, weil der Bau des Wagens und die Herstellung der Kostüme so sehr im Rückstand sind.«
    Fabel ging von seinem Hotel aus zu Fuß in die Stadt und stieg die Domtreppe über dem Bahnhofsvorplatz hinauf. Vor ihm lagen die Colonaden, das zum Hauptbahnhof gehörende Einkaufszentrum. Die Strahlen der Wintersonne wirkten messerscharf in der kalten Luft, und in Schals gehüllte Menschen drängten sich auf dem Platz. Dies war seit fast zweitausend Jahren das Zentrum der Stadt. Die Hauptverkehrsadern von Köln breiteten sich darum aus wie die konzentrischen Kreise von Wellen auf einem Teich. Irgendwo da draußen verfolgte Maria ihre unausgegorene Rachemission. Sie war hier, um Witrenko aufzuspüren. Wahrscheinlich würde es ihr gelingen. Und er würde sie töten.
    Fabel hatte erst zehn Minuten gewartet, als ein hochgewachsener Mann mit ergrauendem Haar auf ihn zukam. Ulrich Wagner war salopper gekleidet als bei ihrer letzten Begegnung in van Heidens Büro in Hamburg.
    »Sie haben meine Nachricht also erhalten«, sagte Fabel. »Es freut mich, dass Sie gekommen sind.«
    »Nach dem, was Sie mir vor ein paar Tagen am Telefon anvertraut haben, blieb mir wohl nicht viel anderes übrig.« Wagner schaute zu der dunklen, massigen Kathedrale hinauf. Einer der Türme war von einem Baugerüst umgeben, das an ihm zerbrechlich wie ein Zahnstocher wirkte. »Irgendwo steht immer ein Gerüst … Es dauerte dreihundert Jahre, die Kirche zu bauen, und nun nimmt es anscheinend eine Ewigkeit in Anspruch, sie zu reparieren.« Er lächelte. »Übrigens, das alles erinnert mich sehr an Graham Greene … Ein Treffen im Dom und so weiter.«
    »Ich wollte mich nicht im Polizeipräsidium mit Ihnen verabreden. Da ich mit Benni Scholz in Sachen Karnevalsmorde zusammenarbeite, möchte ich die Dinge nicht … na ja … durcheinanderbringen . Ich hatte keine Zeit, zur BKA-Zentrale zu fahren, und Sie hatten erwähnt, dass Sie in Köln sein würden.«
    »Das ist wirklich kein Problem. Aber ich wollte Sie noch fragen … Ihre

Weitere Kostenlose Bücher