Jan Fabel 04 - Carneval
umklammerte, während sein Gesicht blau anlief. Buslenko packte ihn am Unterkiefer und an der Stirn und drehte seinen Kopf kräftig zur Seite. Ein noch lauteres Knacken. Die Augen des Gangsters wurden sofort glasig. Buslenko stieß ihn von sich, sodass er auf den schmutzigen Boden fiel. Dann nickte er Maria grimmig zu. Sie wartete darauf, sich den von draußen hereinstürmenden Wächtern zu widmen. Aber niemand erschien in der Tür. Sie hielt beide Pistolen in den ausgestreckten Händen, die nun heftig zitterten.
»Alles in Ordnung, Maria …«, Buslenkos Stimme war ruhig, besänftigend. Er griff nach ihren zitternden Händen und entwand ihr die Waffen. »In Ordnung. Alles ist vorbei. Du hast es geschafft.«
»Die Wächter«, widersprach sie verzweifelt. »Draußen …«
»Kein Problem«, beruhigte er sie erneut. »Darum haben wir uns gekümmert.«
Maria hörte, wie jemand eintrat.
»Olga?« Verstört musterte sie die auf der Schwelle stehende Sarapenko. Olga trug ein Präzisionsgewehr, das eher einem wissenschaftlichen Instrument als einer Waffe glich. Darauf war ein Nachtsichtgerät montiert, und der Lauf wurde durch einen Feuer- und Schalldämpfer verlängert.
»Ich verstehe nicht«, rief Maria. »Die Polizei … wo ist die Polizei?«
»Wir machen unseren Dreck selber weg«, sagte Buslenko und steckte Marias Pistolen ein. Er legte einen Arm um ihre Schultern und führte sie zur Tür.
»Witrenko …« Marias Stimme war schwach und bebte unter der Erschütterung, die von ihrem Körper Besitz ergriff. »Wo ist Witrenko? Er sollte doch hier sein …« Maria zitterte nun unkontrolliert und hatte das Gefühl, dass ihre Beine sie nicht mehr tragen konnten.
Die Vorgänge außerhalb der Tür waren leicht zu rekonstruieren. Beide Wächter lagen tot da, jeder mit Kugelwunden an Körper und Kopf. Der zweite Wächter hielt immer noch seine Maschinenpistole fest, und seine Augen blickten trübe zum dunklen, verhangenen Himmel hinauf. Maria hatte irgendwo gelesen, dass dies die Methode von Scharfschützen war: eine Kugel in den Körper des Opfers, um es unschädlich zu machen, dann ein oder zwei in den Kopf, um es zu töten. Sie blickte zu Olga hinüber, die immer noch ihr Präzisionsgewehr in den Händen hielt. Es war eine seltsame Fertigkeit für eine Kiewer Polizistin.
»Bleibt hier«, befahl Buslenko. »Ich hole meinen Wagen. Olga, ich werde dich bei Marias Auto absetzen, dann kannst du mit ihm nach Köln zurückfahren. Es darf keinen Hinweis darauf geben, dass wir hier gewesen sind.«
»Was ist mit dem Aufräumkommando?«, fragte Olga und nickte zu den Leichen hinüber.
»Lasst uns diese beiden reinbringen. Ich schicke jemanden vorbei, der sich um die Sache kümmert. Aber als Erstes müssen wir von hier verschwinden.«
»Du schickst jemanden vorbei?« Marias Stimme war schwach. Sie klang benommen und verwirrt. Olga reichte Buslenko das Scharfschützengewehr. Danach zog sie eine Spritze aus der Tasche und entfernte die Schutzhülle von der Nadel.
»Warum hast du so was bei dir?«, fragte Maria. Aber sie war zu erschüttert und entkräftet, um Widerstand zu leisten, als Olga die Ärmel ihres Mantels und ihres Pullovers hochschob. Sie spürte, wie die Nadel in ihren Unterarm stach.
»Was …?«
»Es wird dich entspannen«, sagte Olga, und Maria merkte schon, wie sich eine warme Müdigkeit in ihrem Körper ausbreitete. Sie hatte das Gefühl, bereits zu schlafen, blieb jedoch auf den Beinen. Das Zittern hatte aufgehört.
»Ich dachte, ich würde sterben …«, vertraute sie Olga geistesabwesend an, doch die Ukrainerin antwortete nicht.
»Gleich komme ich mit dem Wagen zurück«, erklärte Buslenko und rannte über das Feld zur Straße.
Maria war völlig gelöst, frei von jeder Furcht oder Sorge, als sie Buslenkos kleiner werdende Gestalt beobachtete und begriff, dass sie ihn vor langer Zeit über ein ähnliches Feld wie dieses hatte laufen sehen. Es ist eigenartig, dachte sie, während sich Olgas Griff an ihrem Arm verstärkte, dass ich ihn vorher nie erkannt habe. Nur aus der Ferne oder an einem Überwachungsmonitor schien ihr bewusst zu werden, wer er war. »Nun werde ich doch sterben«, dachte Maria, lächelte mit leerer Miene über die Ironie des Ganzen und wandte sich Olga Sarapenko zu.
NEUNTES KAPITEL
9.–11. Februar
1.
Fabel war überrascht, als er aufblickte und Benni Scholz neben sich stehen sah.
»Was machst du denn hier?« Er schloss die Akte. »Oh, das ist Herr Wagner vom BKA.«
Wagner
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