Jan Fabel 04 - Carneval
BKA, und du siehst aus, als hätte ich dich mit runtergelassenen Hosen erwischt. Dann erfahre ich, dass du eigene Nachforschungen in meiner Stadt angestellt hast, während ich anderweitig beschäftigt war. Ich würde gern wissen, was zum Teufel hier vorgeht, Herr Hauptkommissar.«
Fabel seufzte. »Als ich erwähnte, dass sich Wassil Witrenkos und mein Weg gekreuzt haben, hast du zu Recht vermutet, dass es gefährlich gewesen sein muss. Es endete damit, dass zwei Beamte tot und eine Kollegin schwer verletzt waren. Sie hat nur knapp überlebt. Ihr Name ist Maria Klee, und sie war meine beste Mitarbeiterin … Eigentlich hätte sie meinen Posten übernehmen sollen. Aber obwohl ihre körperlichen Verletzungen geheilt sind, hat sie immer noch psychische Probleme. Maria ist nun für längere Zeit krankgeschrieben. Sie hatte einen schweren Nervenzusammenbruch und sollte psychotherapeutisch behandelt werden. Aber ich fürchte, dass sie hier in der Stadt ist und versucht, Witrenko ohne fremde Hilfe zu finden.«
»Ich verstehe.« Scholz drehte Fabel den Kopf zu. »Und warum hast du mich nicht früher davon informiert?«
»Du hast deine eigenen Prioritäten.«
»Ja, ganz richtig. Und ich will mir den Arsch nicht umsonst aufreißen. Ich muss einen Mörder fassen. Der Bursche wird in etwas mehr als zwei Wochen wieder zuschlagen, falls ich ihn nicht vorher schnappe. Ich habe mich im guten Glauben wegen deiner Fachkenntnisse an dich gewandt.«
»Das weiß ich, Benni.«
»Aber du verfolgst dauernd noch andere Ziele. Um ehrlich zu sein: Deine Kollegin tut mir zwar leid, aber das ist nicht mein Problem. Ich dachte, ich hätte deine ungeteilte Aufmerksamkeit für meine Ermittlungen.«
»Ich möchte etwas klarstellen, Herr Oberkommissar: Ich bin hier, um jegliche Unterstützung zu leisten, die benötigt wird. Aber ich mache mir auch Sorgen wegen meiner Mitarbeiterin und werde weiterhin versuchen, sie aufzuspüren. Das bedeutet nicht, dass ich mich nur halbherzig für dich einsetze.«
»Immer mit der Ruhe, verdammt noch mal.« Scholz’ Gesicht belebte sich plötzlich. »Jetzt kapiere ich … hier geht es um meinen Fall, oder? Kein Wunder, dass wir die Polizistin oder Vertreterin der Ausländerbehörde nicht ausfindig machen konnten, die Slawko Dmitruk verhört hat, bevor er in der Restaurantküche in Stücke gehackt wurde. Das war sie, stimmt’s?«
»Ich halte es für möglich. Was nicht bedeutet, dass sie es war.«
»Schön …« Scholz ging zurück zum Auto. »Als Allererstes werden wir beide morgen mit meinem Chef plaudern.«
Während der fünfminütigen Fahrt zu Fabels Hotel sagte Scholz kein Wort. Fabel wartete einen Moment, bevor er ausstieg.
»Hör mal, Benni, ich habe es ernst gemeint. Ich werde dir helfen, diesen Serienmörder festzunageln. Ich kann dich nicht daran hindern, wegen Maria zu deinem Chef zu gehen. Aber dadurch können beide Ermittlungen nur behindert werden.«
»Deine persönliche Personensuche ist keine Ermittlung, meine Arbeit dagegen schon.«
»Wenn du es so ausdrücken willst … Aber wir machen allmählich Fortschritte im Fall des Karnevalskannibalen. Möchtest du wirklich, dass ich durch irgendeine interne Untersuchung handlungsunfähig gemacht werde?«
»Was schlägst du vor?«
»Meine Priorität ist genau die gleiche wie deine: diesen Wahnsinnigen zu verhaften, bevor er das nächste Mal mordet. Aber deine Mittel würden es mir viel leichter machen, Maria zu finden, ehe sie sich in ernste Schwierigkeiten bringt. Auf jeden Fall kümmern wir uns als Erstes um diesen Dreckskerl.« Fabel grinste. »Komm mit zu einem Drink an die Bar, und wir können darüber sprechen.«
Benni, dessen Hände noch auf dem Lenkrad ruhten, starrte vor sich hin. »Einverstanden«, sagte er schließlich, »aber du bezahlst.«
2.
Wie jeden Morgen nahm Fabel ein Taxi von seinem Hotel über die Severinsbrücke in den Stadtteil Kalk zum Kölner Polizeipräsidium. Es war ein heller Morgen, und während das Taxi den Rhein überquerte, konnte Fabel die schmiedeeisernen Bögen der für die Eisenbahn gebauten Südbrücke erkennen. Mehrere lange Barkassen trieben auf dem Rhein dahin, manche nach Süden, in die Mitte Europas, andere nach Norden in Richtung Holland und in die übrige Welt. Fabel versuchte, sich eine Zeit vor Pkws, Hochgeschwindigkeitszügen und Lastwagen vorzustellen, und fand, dass Scholz’ Vergleich des Rheins mit einer uralten Version der Autobahn zutraf. Dieser Fluss hatte etwas Zeitloses an sich, und
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