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Jan Fabel 04 - Carneval

Titel: Jan Fabel 04 - Carneval Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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Ereignisse, die zu Witrenkos Messerangriff auf sie geführt hatten, genau zu beschreiben. Maria hatte versucht, dem Ukrainer – genau wie all den Beratern und Psychologen unmittelbar nach dem Ereignis – zu erklären, dass ihre Selbstachtung zerstört worden war, weil Witrenko sie nicht etwa einfach getötet, sondern als Stolperstein für Fabel missbraucht hatte. Fachmännisch hatte er das Messer so platziert, dass ihr Leben an einem Faden hing und sie als Mittel für seine Verzögerungstaktik diente: Wenn sie lebendig, doch schwer verletzt zurückblieb, musste Fabel seine Verfolgung aufgeben. Sie fühlte sich von Witrenko kaum anders beschmutzt, als wenn sie von ihm vergewaltigt worden wäre.
    Und nun konnte Maria den Anblick ihres eigenen Fleisches – und seine Berührung durch andere – nicht mehr ertragen. Die Therapie hatte nicht geholfen. Gequassel. Sie glaubte nicht, dass Probleme gelöst werden konnten, indem man sie zerredete.
    Maria wusste, dass ihre Informationen, so umfassend sie waren, nicht vollständig sein konnten. Sie fühlte sich frustriert bei dem Gedanken, dass in diesem Moment Geheimermittlungen von einer Reihe von Bundes- und Landesbehörden durchgeführt wurden. Das war ihr bewusst geworden, als ein BKA-Vertreter sie im Beisein von Fabel und Kriminaldirektor van Heiden gemaßregelt hatte. Maria war von BKA-Beobachtern im Gespräch mit Schlüsselfiguren fotografiert worden. Dadurch, so die Kritik, habe sie die Ermittlungen stark gefährdet. Sie hatte zu einer jungen russischen Prostituierten Kontakt aufgenommen, die im raueren Teil des Hamburger Gewerbes arbeitete. Nadja hatte Maria Auskünfte erteilt und war sofort danach verschwunden. Wie das BKA meinte, hatte Marias Ungeschicklichkeit Nadja wahrscheinlich das Leben gekostet.
    Aber sie würde ihre Fehler nicht wiederholen. Maria wusste, dass die Überwachung vermutlich noch nicht eingestellt war, doch diesmal würde sie nicht auffallen. Bei umfassenden Polizeiaktionen wie dieser schaute man immer auf den größeren Zusammenhang, sammelte Informationen über Verbindungen und Befehlsstrukturen und identifizierte entscheidende Standorte. Hunderte von Experten arbeiteten an den Details, während die Leitung Distanz wahrte und den Blick auf das Ganze richtete. Doch den Kern von Witrenkos Geschäften bildete der Menschenhandel. Es ging nicht um gestohlene Autos, deren Kennzeichen registriert und abgelegt werden konnten, sondern um Menschen, und hinter jeder statistischen Angabe verbarg sich eine Tragödie.
    Hier wollte Maria sich Zutritt verschaffen: indem sie bei den Opfern begann und ihre Spur zurückverfolgte. Da sie inoffiziell in Köln war, ohne Amtsbefugnis, brauchte sie nicht zimperlich zu sein. Sie musste allein arbeiten, doch manchmal wünschte sie sich, dass Anna Wolff ihr zur Seite stünde. Während Fabel und Werner Prinzipienreiter waren, hatte Anna wenig für Vorschriften übrig. Sie wäre bereit gewesen, Köpfe zusammenzuschlagen und gegen die Regeln zu verstoßen. Genauso musste Maria vorgehen.
    Sie legte ihre Dienstwaffe, eine Sig-Sauer Automatik, neben den Laptop aufs Bett. Und dann die andere Pistole: eine 9mm-Glock 26 Compact. Vor ihrem Eintritt in die Polizei hatte Maria Jura studiert, und alles deutete auf eine Überfliegerkarriere für sie hin. Nichts hatte ihr mehr bedeutet als das Gesetz. Es war der Faden, der den Stoff der Gesellschaft zusammenhielt und der Welt Ordnung verlieh. Durch den Erwerb der zweiten Waffe hatte sie zum ersten Mal in ihrem Leben das Gesetz gebrochen.
    Maria war immer noch Polizeibeamtin. Ihre Ausbildung und ihre Fähigkeiten würden sie zu Witrenko führen. Aber dann … wenn sie so weit gelangte, dann würde sie die Glock in der Hand halten. Sie hatte nicht die Absicht, ihn zu verhaften.
    Noch einmal überprüfte sie die Dateien auf ihrem Computer. Der Bauernmarkt – so wurde der organisierte Verkauf von Menschen aus der Ukraine, Russland, Polen und anderen östlichen Staaten genannt. Die Bezeichnung stammte nicht von den Ermittlern, sondern von den Verbrechern selbst. Ein passender Titel für den Handel mit Menschen, die wie Fleisch verkauft wurden. Maria öffnete eine Tabelle, in der sie die wichtigsten Punkte der Ermittlung zusammengefasst hatte. Es war der Anblick eines zerrissenen Spinnennetzes, denn die Hälfte der Verbindungen fehlte. Es gab so gut wie nichts, an dem Maria sich orientieren konnte.
    Witrenkos Organisation war vorzüglich aufgebaut: mit Management- und Produktionsebenen wie

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