Jan Fabel 04 - Carneval
Haut unter der Meeressonne einen hellen Goldbronzeton angenommen, und ihre Sommersprossen waren dunkel geworden. Vor allem jedoch erinnerte Oliver sich an ihre Figur: an perfekt gerundete Brüste und, was am wichtigsten war, an einen großen, schönen, wunderbaren Hintern.
An jenem Tag waren sie in einer Gruppe gewesen, zu der auch Olivers jüngerer Bruder und seine jüngere Schwester sowie Sylvias drei alberne kichernde Schwestern gehörten. Er ärgerte sich darüber, dass so viele andere, kleinere Kinder mitgekommen waren. Sein Instinkt drängte ihn, mit Sylvia allein zu sein, ohne ihn jedoch wissen zu lassen, was er in einem solchen Fall tun sollte. All das geschah während eines Familienurlaubs hoch oben in Norddeutschland: Eine Landzunge bei Stufhusen trennte das westliche Ufer vom Wattenmeer, und ein breiter goldener Landstreifen schob sich in die Nordsee und funkelte unter einem wolkenlosen Himmel. Es war idyllisch für ein Kind: Da die flache Landschaft, auf der sich die Häuser verstreuten, fast menschenleer war, gab es kaum Einmischungen durch Erwachsene.
Wie geschaffen für Kinder, die sich nach Abenteuern sehnten, existierte jedoch auch eine Gefahrenquelle. Am ferneren Strandende, oben auf dem Deich, stand ein altes Haus mit einem mächtigen Reetdach. Dort wohnte der »alte Nazi«, ein mürrischer Mann, der den Kontakt mit seinen Nachbarn ablehnte und einem Einsiedler ähnelte. Er war alt genug, um im Krieg – und in der NSDAP – gewesen zu sein, doch der Beiname »alter Nazi« war ihm von einer der jüngeren Schwestern Sylvias verliehen worden, nachdem sie eine Beschreibung des Einsiedlers durch ihre Eltern mit angehört hatte. Aus diesen unbestätigten Gesprächsfetzen hatten die Kinder eine ausführliche Geschichte über den alten Mann entwickelt, darunter auch eine Begründung für sein unfreundliches Verhalten. Er verstecke sich, so folgerten sie, vor Nazijägern, die den ganzen Globus – von Schweden bis Brasilien – nach ihm abgesucht hätten. Nun sitze er mürrisch, so meinten sie, unter einem zerfledderten, staubigen Foto Adolf Hitlers und warte darauf, dass ihm ein israelisches Einsatzkommando die Tür einschlug und ihn, betäubt und in einer Frachtkiste liegend, nach Tel Aviv transportierte. Der alte Mann selbst stellte keine große Bedrohung dar, aber für seine Hunde galt das Gegenteil. Ein Schäferhund und ein Dobermann – zwei Zähne fletschende, bellende Bestien – hielten jeden, der dem Haus zu nahe kam, in Schach.
Die Rätsel und die Gefahr machten das alte Haus am fernen Strandende unwiderstehlich für die Kinder, die den »alten Nazi« und seine Hunde durch ihre Anwesenheit verhöhnten. Nach dem folgenden Ereignis am Strand waren Vorwürfe zu hören, dass der »alte Nazi« seine Hunde bewusst losgelassen und zum Angriff getrieben habe, wahrscheinlich so, wie er seinen Männern an der russischen Front die Attacke befohlen hatte. Die Wahrheit war jedoch ein wenig nüchterner.
Oben am Deich verlief eine kleine, mit Sand gefüllte Kerbe, die sich durch die rauen Schilfrohre und Grashalme zog und etwas Schutz vor der frischen Seebrise bot. Die kleineren Kinder spielten unten am Wasser und bauten Sandburgen. Sylvias erwachende weibliche Intuition hatte Olivers Interesse an ihrem Körper wahrgenommen, und sie tat ihr Bestes, um ihn noch stärker zu reizen. Sie hatte ihn ermuntert, mit ihr im Wasser zu planschen. Zuerst hatte er gezögert, doch sie zog einen Schmollmund, was bei ihm unten herum ein Kribbeln verursachte. Sylvias T-Shirt schmiegte sich enthüllend an ihre Brüste, und die weißen Baumwollshorts umspannten ihr dralles Gesäß. Nach ein paar Minuten klagte sie, dass es im Wasser zu kalt sei, und rannte zurück zu der Kerbe im Deich. Oliver zögerte eine Weile, ihr zu folgen, denn er wartete darauf, dass sich seine Erektion wenigstens ein bisschen abschwächte. Am Ende verschränkte er die Hände so lässig wie möglich vor seiner Leiste und schlenderte zu ihr. Sie hatte sich auf die Ellbogen gestützt und den Rücken gewölbt, um die Sonne auf ihrem Gesicht spielen zu lassen. Oliver musterte sie und genoss jede Kurve, jede Schwellung des festen Fleisches. Sie drehte sich zu ihm und richtete den Blick auf seinen Unterleib. Wortlos legte sie die Hand auf seine Erektion, die gegen die Enge seiner Shorts zu protestieren schien.
In jenem Moment erschien der wütend knurrende Kopf eines Dobermanns über ihnen, oben auf dem Deich. Oliver bewegte sich nicht. Er war immer noch
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