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Jan Fabel 04 - Carneval

Titel: Jan Fabel 04 - Carneval Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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von dem überwältigt, was geschehen war, und der Gedanke an ihre Berührung fachte die Hitze in seinen Lenden noch weiter an. Doch Sylvia sprang schreiend auf und lief davon. Dadurch wurde der Angriffsinstinkt des Dobermanns geweckt, und er schnellte vom Deich herunter. Nach zwei Sätzen verbiss er sich in ihrem Hintern. Oliver sah, wie die Zähne des Hundes in das feste Fleisch eindrangen und wie Blut ihre noch feuchte Baumwollhose befleckte. Gleichzeitig erschauerte er unter einem heftigen Orgasmus.
    Der »alte Nazi« rannte herbei und rief nach seinem Hund. Oliver begriff, dass er schlicht mit seinen beiden Tieren auf dem Deich spazieren gegangen war und dass sich der Dobermann beim unerwarteten Anblick der beiden halb im Gras verborgenen Jugendlichen erschreckt hatte. Die Verletzung an Sylvias Hinterteil war keineswegs so schwer, wie man zuerst befürchtet hatte, auch wenn eine Narbe zurückblieb. Doch die Spuren, die der Vorfall bei Oliver hinterlassen hatte, sollten dauerhafter sein.
    Oliver war Sylvia erst vor zwei Monaten auf einer Familientrauung erneut begegnet. Es hatte sich um einen der ernüchterndsten Augenblicke seines Lebens gehandelt. Seine Nordseevenus, sein Symbol der Weiblichkeit, war nicht zerfallen, sondern eher geschmolzen. Das feste, üppige Fleisch hatte nachgegeben; die runde Glorie ihrer Brüste war zwanzig Jahren hartnäckiger Schwerkraft zum Opfer gefallen; der goldene Glanz des Sommers war erloschen; ihre Gesichtshaut war, vielleicht wegen der vielen Sommer im Freien, vorzeitig gealtert und hatte eine bleiche, teigige, fleckige Blässe angenommen, die Oliver von ihrer Mutter kannte. Und das Schlimmste: Die Rundheit von Sylvias großem, herrlich geformtem Gesäß war einer taillenlosen Masse gewichen. Oliver hatte sich, während er ein belangloses Gespräch mit ihr führte, gefragt, ob sie noch die Narbe besaß, und die Vorstellung von einer gekräuselten weißen Schramme in ihrem formlosen Fleisch war widerlich gewesen. Doch die Begegnung hatte ihn nicht von seiner seltsamen Zwangsidee abgebracht. Das Götzenbild war zerschmettert, aber die Leidenschaft blieb bestehen.
    Er nippte an seinem überteuerten Cocktail und sann über den Sturz seines Götzenbildes nach, als er merkte, dass jemand an seine Seite getreten war.
    »Sind Sie Herr Meierhoff?«, fragte sie mit einem ausländischen Akzent, den Oliver für russisch oder polnisch hielt. Er nickte, und ihm hämmerte das Herz in der Brust. Wären der Akzent und das Fehlen einer Sommerbräune nicht gewesen, hätte sie fast die Sylvia seiner Jugend sein können. Nein, sie war sogar viel hübscher. Darauf kam es Oliver allerdings nicht an. Es gab genug hübsche Wesen, die er hätte haben können. Das Mädchen neben ihm war ungefähr zweiundzwanzig Jahre alt. Sie hatte rötlich blonde Haare, kristallblaue Augen und eine frische, mit hellen Sommersprossen gesprenkelte Haut. Oliver betrachtete sie von Kopf bis Fuß. Sie trug eine Bluse, die ihre schmale Taille locker umgab, sich jedoch straff über ihren vollen Oberarmen und Brüsten spannte. Kokett drehte sie sich ein wenig zur Seite, denn ihr war klar, was er sehen wollte. Ihr Bleistiftrock verengte sich zu den Knien hin und betonte die Prallheit ihrer Oberschenkel und ihrer prächtigen Hinterbacken.
    »Bin ich das, was du suchst?«, fragte sie. »Gefalle ich dir?«
    »Du, meine Liebe«, sagte Oliver mit einem breiten, sympathischen Lächeln, »bist die reine Perfektion.«
    6.

    Maria hatte ihr Auto in Hamburg zurückgelassen und war mit dem Zug nach Köln gefahren. Ihr Wagen war ein alter Jaguar XJS, den sie in einem untypischen Anfall von Extravaganz gekauft hatte, um Aufsehen zu erregen. Für die Überwachungsarbeit, die sie plante, war er viel zu auffällig. Den größten Teil ihres ersten Tages in Köln hatte sie mit der Suche nach einem Mietwagen verbracht. Selbst die kleinen Billigmodelle waren zu neu und glänzten zu grell. Die Stadt lag übellaunig unter einem bleiernen Himmel, der den seit Langem drohenden Schnee nicht ausschütten wollte. Marias Stimmung war genauso, und ihr taten die Füße weh. Sie hätte einfach von ihrem Hotelzimmer aus herumtelefonieren können, doch sie musste das Auto, das sie benutzen würde, vor sich sehen.
    Es war gegen 15 Uhr, und der Himmel ging bereits von einer trüben in eine düstere Tönung über, als sie den letzten Autoverleih verließ. Es war keine der national oder international bekannten Firmen, und das Büro lag neben einer Werkstatt und

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