Jan Fabel 04 - Carneval
arbeiteten in der Küche, jeder in einem separaten Bereich. Hinzu kamen zwei andere Kriminalbeamte aus Scholz’ Abteilung: Kris, der junge Kommissar, der Scholz zum Tatort begleitet hatte, und Tansu, eine ebenfalls noch junge Deutschtürkin. Sie verharrten unsicher an der Tür, die vom Hauptraum des Restaurants in die Küche führte. Beiden schien unwohl zu sein, besonders Kris. Scholz ließ den Blick durch die Küche schweifen. Überall sah er Zeichen von Gewalt. Die umgeschütteten Töpfe. Das auf dem Türrahmen verschmierte Blut. Ein umgekippter Hocker. Blutlachen auf dem Boden. Das Zentrum der Gewalt bildete der Fleischbrocken, den Simone Schilling nun untersuchte. Außerdem war er die Ursache von Kris Feilkes angeekelter Miene.
»Was ist passiert?«, fragte Scholz.
»Ein Ukrainer«, antwortete Kris nach einer Weile. »Ein Küchenangestellter. Wahrscheinlich illegal hier. Zu dem Zeitpunkt waren noch drei andere Mitarbeiter in der Küche. Zwei Ukrainer und ein Somalier. Die Ukrainer weigern sich, ein Wort zu sagen, scheißen sich vor Angst in die Hose. Aber der Somalier spricht von drei maskierten Männern, die hereinkamen und das Opfer anbrüllten. Nicht auf Deutsch, also vermute ich, dass sie ebenfalls Ukrainer waren. Zumal die beiden ukrainischen Küchenangestellten plötzlich stumm sind. Einer der Maskierten griff nach einem Fleischerbeil …« Gegen alle Wahrscheinlichkeit wurde das Gesicht des jungen Kommissars noch blasser. »Na, und dann hat er das mit ihm gemacht.«
Scholz trat auf die Leiche zu. Simone Schilling gebot ihm mit einem weiteren finsteren, doch, wie er fand, reizenden Blick Einhalt.
»Es ist wohl zu früh, die Todesursache festzustellen?«, bemerkte Scholz mit einem Grinsen.
Es war schwierig, die Züge der Gestalt auf dem Boden noch zu erkennen. Eine Seite des Gesichts klaffte weit auf, wo das Beil durch Haut, Muskel, Sehnen und Knochen gefahren war. Eine an den Rändern unnatürlich gerade Fleischklappe hatte sich knapp unter dem Aufschlag des kurzärmeligen T-Shirts vom Oberarm gelöst. Auch diese Wunde hatte durch die scharfe Schneide des Instruments eine rechteckige Form. Scholz glaubte, mindestens ein Dutzend Schnitte am Körper wahrzunehmen.
»Ich schätze mal, es war keine Kugel.« Scholz lachte über seinen Witz.
Simone Schilling verzog keine Miene und stand auf.
»Sie erhalten einen vollständigen Bericht vom Gerichtsmediziner. Herr Dr. Lüdeke wird die Autopsie vornehmen.«
»Ich hoffe, er schneidet sich nicht ins eigene Fleisch«, meinte Scholz und lachte als Einziger über seinen Scherz.
Simone Schilling betrachtete den Fußboden, wo ihr Team verschiedene Blutflecke mit Markern versehen hatte. »Seinen Angreifern hat es jedenfalls nichts ausgemacht, Indizien zu hinterlassen. Wir haben ein halbes Dutzend Stiefelabdrücke im Blut. Mit klaren Mustern.« Sie warf Scholz einen geringschätzigen Blick zu. »Allerdings ist die Hälfte nun wahrscheinlich von Ihnen.«
Scholz sah sich die Leiche erneut an. Vier oder fünf der Schnitte befanden sich in den Unterarmen. Die Handfläche war gespalten und der Knochen freigelegt. Verteidigungswunden.
»Haben wir einen Namen?«, rief er zu den beiden Kommissaren an der Tür hinüber.
»Slawko Dmitruk«, antwortete Kris. »Jedenfalls ist das der Name, der dem Restaurant vorliegt. Die Besitzer meinen, dass er vielleicht dreiundzwanzig oder vierundzwanzig Jahre alt war.«
»Hast du dich erholt?«, fragte Scholz.
»Mit diesem Aspekt der Arbeit bin ich nie gut zurechtgekommen …«
»Wieso denn nicht?« Scholz nickte zu der Leiche hinüber. »Das ist kein Mensch mehr, sondern nur noch Fleisch. Wer immer Slawko Dmitruk war und was ihn ausgemacht hat, muss von den Überresten hier getrennt werden. Das solltest du verarbeiten. Wenn du das nicht schaffst, wirst du irgendwann einen Mordschauplatz betreten, ein kleines Kind tot auffinden und zusammenbrechen. Das wird dann dein letzter Arbeitstag sein.«
Kris schaute auf die teils zerstückelte Leiche und wirkte nicht allzu überzeugt.
»Hast du schon etwas gegessen?«, wollte Scholz wissen. »Auf leeren Magen ist es immer am schlimmsten.« Er drehte sich um und tauchte eine Schöpfkelle in die noch warme Suppe. Dann hielt er dem jungen Beamten die Kelle hin. »Probier das mal … wirklich gut. Erbsensuppe …«
Kris wandte sich ab und rannte in Richtung der Toiletten durchs Restaurant. Tansu Bakrac blickte ihren Chef missbilligend an. Als sich Scholz zu Simone Schilling umwandte, musterte
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