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Jan Fabel 04 - Carneval

Titel: Jan Fabel 04 - Carneval Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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zu den Sternen empor. Der Schmerz hatte nachgelassen, obwohl sie spürte, wie das Messer in ihrem Körper steckte. Sie konnte nur rasch und flach atmen, und eine schreckliche Kälte ergriff allmählich von ihr Besitz. Eine Ewigkeit verging, bevor sie Fabels Stimme ihren Namen rufen hörte. Es konnten nur ein oder zwei Minuten gewesen sein, doch Maria war es so lange vorgekommen, dass sie sich bereits fragte, ob sie tot war. Konnte das der Tod sein: der letzte Moment ins Unendliche gedehnt? Aber dann hatte sich Fabel über sie gebeugt, sie berührt und zu ihr gesprochen. Er war ihre Verbindung zu den Lebenden gewesen. Fabel, ihr Chef. Fabel, der Vater seines Teams.
    Doch Fabel war nicht hier in Köln. Und ohnehin würde er seine Laufbahn als Polizist aufgeben. Maria wusste, dass sie nie wieder in den Dienst zurückkehren und ebenfalls kündigen würde. Oder vielleicht würde sie hier sterben. Es war kein Gedanke, der sie allzu sehr beunruhigte. Maria wusste, dass Witrenko sie bereits vor drei Jahren auf jenem Feld getötet hatte. Nun würde er nur noch ihren gepeinigten Geist aus der Welt vertreiben. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn Fabel sie damals nicht gefunden hätte. Der Tod konnte nicht schlimmer sein als die Hölle, die sie bis heute durchlebte.
    Und dann dachte sie an Frank. Sie war der Liebe so nahe gewesen. Er hatte ihr in der schlimmsten Zeit geholfen und war sanft, liebevoll, gütig gewesen. Und ein Mörder.
    Ein Auto, das auf der Straße am Hotel vorbeifuhr, ließ seine Hupe ertönen und brachte sie vorübergehend zurück in die Gegenwart und nach Köln. Maria dachte an Frank und weinte. Nicht nur seinetwegen, sondern auch um ihrer selbst willen. Er war ihre letzte Rettungschance gewesen.
    Maria fühlte sich leer, von Schmerz durchdrungen und alt. Aber es gab noch etwas anderes. In ihr war eine Idee aufgestiegen. Völlig ausgeprägt, sobald sie erwacht war. Gleichzeitig stellten sich eine Kraft und ein Zielbewusstsein ein, die sie für immer verloren geglaubt hatte.
    Sie duschte, zog sich an und riss die Seite, die sie benötigte, aus dem Telefonbuch. Am liebsten hätte sie das Frühstück wieder ausgelassen, doch sie rief sich zur Ordnung, ging in den Speisesaal und zwang sich, ein wenig Müsli und Obst zu essen. Das Frühstück und der Kaffee schienen ihr sofort Energie zuzuführen. Und diesmal würde sie nicht in der Toilette ihren Magen entleeren.
    Sie schritt zielstrebig aus dem Hotel hinaus. Während der Nacht war leichter Schnee gefallen, der sich in grauen Matsch verwandelt hatte. Sie ließ das Auto stehen, ging zu Fuß ins Stadtzentrum und suchte als Erstes einen Friseursalon auf. Marias Haar war nie besonders lang, und gewöhnlich gab sie ein Vermögen für Hamburger Stylisten aus. Dies war ein durchschnittlicher Salon, und man hatte eine begrenzte Zahl an Stühlen und eine noch geringere Zahl an Fertigkeiten anzubieten. Ein Mädchen, das wie eine Schülerin aussah, wusch Marias Haare und fragte sie nach ihren Wünschen. Maria zog ein Foto aus ihrer Handtasche.
    »Genau das«, sagte sie. »So möchte ich aussehen.«
    »Wirklich?«, zweifelte die Friseurin. »Ihr Haar hat eine wunderbare natürliche Farbe. Die meisten meiner Kundinnen würden sich für Ihren Blondton zerreißen. Sie bitten mich darum, aber ich schaffe es natürlich nie.«
    »Können Sie das schaffen?« fragte Maria.
    Die Friseurin zuckte die Achseln und gab Maria das Foto von ihr und Anna Wolff, ihrer Freundin und Kollegin, zurück. »Kein Problem. Wenn Sie sicher sind …«
    Anderthalb Stunden später trat Maria wieder auf die Straße hinaus. Trotz der Kälte setzte sie ihre Mütze nicht auf. Die frostige Luft zwickte ihre entblößten Ohren, und sie blieb hin und wieder stehen, um ihr Spiegelbild in einem Schaufenster zu betrachten. Ihre Haare waren nun dunkelbraun, wenn auch nicht ganz so dunkel wie Annas und nicht so stachelig kurz, aber Marias Äußeres hatte sich dadurch stark verändert.
    Die Kosmetikverkäuferin in dem Warenhaus an der Hohen Straße war ein wenig erstaunt darüber, dass ihre Kundin nicht so recht zu wissen schien, was zu ihrem Teint passte, doch ein paar Minuten später besaß Maria, die beim Make-up stets zurückhaltend gewesen war, einen Beutel mit Lidschatten, Rouge und Lippenstift in kräftigen Farben. Im nächsten Geschäft beschrieb sie genau das Make-up, das sie gerade gekauft hatte, und behauptete, es seit Jahren benutzt zu haben. Nun wolle sie etwas völlig anderes.
    Bevor sie ein

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