Jan Fabel 04 - Carneval
halbe Stadt verstreut wurde. Beim Morden hält sich Witrenko für einen Dichter, einen Künstler. Er hat eine Vorliebe für Symbole und Rituale.
Bevor er 1999 sein Kommando im Berkut übernahm, hatte er schon eine erfolgreiche Sowjetkarriere in Afghanistan und eine freiwillige Zusammenarbeit mit unseren russischen Cousins in Tschetschenien hinter sich. Dann soll er abtrünnig geworden sein und die Loyalität seiner Männer vom ›Vaterland‹ auf sich selbst übertragen haben. Diese Gruppe bildet den Kern der Verbrecherorganisation, die er aufgebaut hat.
Wassil Witrenko ist der geschickteste Mörder und Folterer, dem ihr je begegnen werdet. Wie gesagt, er sieht sich als Künstler …« Buslenko drückte auf die Maustaste, und ein weiteres Bild füllte den Schirm. Es dauerte ein paar Sekunden, bis die Anwesenden die versprengten Blutstropfen und Fleischteile als Überreste eines Menschen erkannten. »Er glaubt, dass die Ukrainer von den Wikingern abstammen, was teilweise stimmt, und eine seiner Spezialitäten ist es, das Blutadlerritual der Wikinger nachzuahmen: Er reißt den noch lebenden Opfern die Lungenflügel heraus und wirft sie als Schwingen des Adlers über ihre Schultern.«
Buslenko wartete, damit sich die Anwesenden das Bild einprägen konnten. Aber dieses Publikum war nicht leicht zu schockieren. Buslenko drückte wieder auf die Maustaste. Witrenkos Gesicht wurde von einem anderen abgelöst.
»Nun darf ich euch Valeri Molokow vorstellen. Russe. Siebenundvierzig Jahre alt. Ehemaliger Polizist, früheres Mitglied der Miliz-Spezialeinheit OMON. Machte die Leute, gegen die er ermitteln sollte, zu seinen Geschäftspartnern. Eine Zeit lang galt er als äußerst effektiver OMON-Offizier, weil er so viele bedeutende Vertreter der organisierten Kriminalität in Russland ausschaltete. Wie sich später herausstellte, hatte er lediglich seine Konkurrenten nach und nach beseitigt oder Vertragsmorde für andere Verbrecherbosse ausgeführt, die seine Partner waren. Bald wurde bekannt, dass Molokow der richtige Mann war, wenn jemand ohne viel Federlesens umgebracht werden sollte. Obwohl Molokow in der OMON gedient hat, die in Tschetschenien für viele Untaten verantwortlich ist, soll er sehr starke Verbindungen zur tschetschenischen Mafia unterhalten. In Russland wird er wegen Schmuggels, Drogenhandels, sieben Mordfällen, Mordkomplotten, Vergewaltigung und Freiheitsberaubung gesucht.«
»Irgendwelche Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung?«, fragte Stojan mit seinem unwiderstehlichen tatarischen Grinsen. Alle lachten, auch Buslenko. Ein wenig Heiterkeit angesichts solcher Feinde konnte nur nützlich sein.
»Molokow ist der einzige Angehörige von Witrenkos Führungsstab, den wir identifizieren konnten. Er hat sein eigenes Team innerhalb der Organisation, und das ist Witrenkos erster und einziger Schwachpunkt, denn Molokows Sicherheitsvorkehrungen sind mit seinen nicht zu vergleichen. Es war eine übereilte Vernunftehe. Im Grunde erhielt Molokow ein Angebot von Witrenko, das er nicht ausschlagen konnte. Molokows Aktivitäten beeinträchtigten die von Witrenko, der daraufhin mehrere Lieferungen von Molokow abfing und die Containerfahrzeuge in Brand steckte.«
»Um was für ein Frachtgut hat es sich gehandelt?«, fragte Olga Sarapenko.
»Es ging um Menschenschmuggel …«
»Scheiße«, sagte Belozerkowski. »Das war Witrenko? Die Sache an der polnischen Grenze?«
»Ich dachte, es sei ein Unfall gewesen«, meinte Olga.
»Das war die Version für die Medien«, erklärte Buslenko. »Ein paar Kilometer weiter hätte die polnische Polizei ermittelt, und alles wäre aufgeflogen. Man hat Stillschweigen gewahrt, damit wir Zeit haben, Witrenko aufzuspüren.«
»Molokow hat die Botschaft also verstanden?«, fragte Belozerkowski.
»Er hat Witrenko die Kontrolle übergeben, wenn auch widerwillig, und ist immer noch für den Menschenschmuggel zuständig. Der Hauptunterschied besteht darin, dass er keine Konkurrenz mehr hat. Er arbeitet jetzt für Witrenko, und der schaltet jeden aus, der versucht, ebenfalls in diesem Bereich Geschäfte zu machen.«
»Warum ist das hier eine schwarze Mission?«, wollte Stojan wissen. »Ukrainische Verbrecher, ukrainische Polizisten und Sicherheitskräfte. Ukrainische Opfer.«
»Aus zwei Gründen. Erstens haben wir den Auftrag, Witrenko zu beseitigen. Wir kommen nicht mit einem Gefangenen zurück. Der zweite Grund ist der, dass wir, wie ich am Anfang erwähnt habe, außerhalb der
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