Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Jan Fabel 05 - Walküre

Titel: Jan Fabel 05 - Walküre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
Vom Netzwerk:
nicht...«
    »Hieß das Opfer Georg Drescher? Oder behauptete Marga­rethe, dass es Georg Drescher war?«
    »Ich kann die Identität des Opfers weder bestätigen noch dementieren. Das wissen Sie doch.«
    »Gut, Herr Hauptkommissar, Sie und ich können unsere Spielchen machen, und dann werden noch mehr Menschen sterben, oder wir können ehrlich miteinander reden und viel­leicht ein paar Leben retten. Wie hätten Sie's gern?«
    »Was haben Sie mir zu sagen, Dr. Köpke?«
    »Zuallererst müssen Sie dafür sorgen, dass Margarethe unter maximalen Sicherheitsvorkehrungen verwahrt wird.« Fabel hörte, wie der Psychiater den Atem ausstieß, und stellte sich vor, dass der ihm unbekannte Mann von Rauch umwabert wurde. »Sie muss von nicht weniger als zwei, möglichst drei Wächtern beobachtet werden. Zweitens sollten Sie sich bemühen, Ihre Forderungen wie Bitten klingen zu lassen. Margarethe reagiert mit größter Feindseligkeit auf jede Andeutung eines Befehls. Und glauben Sie mir, Herr Hauptkommissar, diese Feindselig­keit kommt sehr professionell zum Ausdruck.«
    »Davon kann ich mir inzwischen ein Bild machen.« Fabel berührte unwillkürlich den Mullverband an seiner Stirn.
    »Aha.« Erneut das Ziehen an einer Zigarette, gefolgt von einem hastigen Ausatmen. »Das wundert mich nicht. Außer­dem sollten Sie mir so schnell wie möglich eine gerichtliche Verfügung zukommen lassen, damit ich Ihnen die Unterla­gen über Margarethe Paulus' Behandlung übersteilen kann. Ich habe Bänder und Videos von meinen Sitzungen mit ihr, und Sie sind gut beraten, sich alles anzuhören und anzusehen.«
    »Wie wäre es zunächst mit einer kleinen inoffiziellen Zu­sammenfassung?«, fragte Fabel.
    »Margarethe Paulus war ein Kind der DDR«, erwiderte Köpke. »Ihre Eltern waren nach meinen Informationen un­konventionelle Freidenker, die mit den Behörden in Konflikt gerieten. Sie landeten im Gefängnis, und beide starben vor der Wiedervereinigung an Krebs. Margarethe wurde in ein staat­liches Pflegeheim gebracht. Was Sie interessieren sollte, sind die Dinge, die ihr den Berichten zufolge danach zustießen. Be­vor ich fortfahre, muss ich ein paar Worte über ihre Kranken­geschichte sagen. Schon im staatlichen Waisenhaus klagte sie über schwere Kopfschmerzen. Damals muss sie ungefähr acht Jahre alt gewesen sein. Sie wurde ins Krankenhaus eingelie­fert, wo man vermutete, dass sie unter einem Gehirntumor litt. Man entdeckte eine Wucherung, die später für gutartig erklärt wurde, aber die Art des Tumors ist unklar. Es war ein recht großes Teratom, das als fetus in fetu interpretiert werden konnte.«
    »Verzeihung ...«, unterbrach Fabel irritiert. »Das müssen Sie erklären.«
    »Ein Teratom ist ein Tumor, der aus allen möglichen Gewe­bearten besteht. Er kann Haare, Zähne und Augengewebe ent­halten. Manchmal auch Gliedmaßen, zum Beispiel eine Hand oder einen Fuß. In seltenen Fällen wird ein Kind mit einem Zwilling in seinem Innern geboren. Fetus in fetu. Die medizini­sche Meinung ist geteilt darüber, ob dies wirkliche Föten sind, die sich innerhalb ihres Zwillings - statt neben ihm - herausge­bildet haben, oder ob es sich nur um ein komplexeres Teratom handelt. Wie auch immer, sie sind nicht zu einem unabhän­gigen Leben fähig. Das, was aus Margarethes Gehirn entfernt wurde, sah jedenfalls aus wie ein rudimentärer Fötus. Aus ir­gendeinem Grund - vielleicht weil sie später etwas über das Thema las - gelangte sie zu der Ansicht, dass eine Schwester in ihrem Innern gelebt hatte.«
    »Und glaubt sie das immer noch?«
    »Wir haben gelernt, mit Margarethe umzugehen, und so­lange sie richtig medikamentiert und therapiert wurde, konnte sie unter den übrigen Patienten leben. Ich werde noch darauf zurückkommen, warum Medikamente und Behandlung so wichtig waren, aber Sie haben den Grund anscheinend schon aus erster Hand miterlebt. Jedenfalls saß Margarethe manchmal stundenlang am Fenster und sprach mit niemandem außer ih­rem eigenen Spiegelbild.«
    »Ihrer Schwester«, seufzte Fabel.
    »Das haben wir in der Therapie festgestellt, ja. Aber nun kommen wir zum wichtigsten Teil. Der Tumor, der entfernt wurde, war gutartig, doch sehr groß. Wenn man so etwas aus dem Gehirn herausnimmt, ändert sich einiges. Zum Beispiel die chemischen Vorgänge und der intrakranielle Druck. Die Teile des Gehirns, die vorher eingeengt waren, können sich nun ausweiten, besonders wenn der Patient noch ein Kind ist. In Margarethes Fall

Weitere Kostenlose Bücher