Jan Fabel 05 - Walküre
einen Bezug zu Kroatien.«
»Ich weiß. Es ist eine kroatische PHP-M V9 Automatik. Ungefähr achtzehn Jahre alt. Man hat das Modell in aller Eile für den Unabhängigkeitskrieg entwickelt.«
»Richtig«, sagte Fabel. »Wieder einmal bin ich von Ihrem umfassenden Wissen über Waffen und Mordtechniken beeindruckt. Aber Ihre Kenntnis dieser Waffe könnte einfach daher rühren, dass sie Ihnen gehört. Vielleicht sollte sie für den Fall einsatzbereit sein, dass Ihre Betäubung Dreschers nicht planmäßig verlief.«
Wieder ein leerer Blick. Margarethe war anziehend und hatte völlig ebenmäßige Züge. Aber irgendetwas an ihrer Miene erinnerte ihn an die Fotos von Irma Grese. Die gleiche Leere in den Augen und im Gesicht. Fabel hatte keinen Anhaltspunkt, ob Margarethe ihn belog. Nach fast zwanzig Jahren als Mordermittler und Vernehmer hatte er das Gefühl, sich in einem fremden Land ohne jeden Orientierungspunkt verirrt zu haben.
»Wer ist >wir« Susanne durchbrach die Stille. »Sie haben gesagt: >Wir.«<
»Meine Schwester und ich. Die Walküren.«
»Wie viele Walküren gab es?«, fragte Anna Wolff.
Margarethe betrachtete sie, immer noch mit ausdrucksloser Miene, einen Moment lang, bevor sie antwortete: »Nur drei von uns waren für die Abschlussausbildung vorgesehen.«
»Aber Sie haben Ihre Ausbildung nicht beendet, stimmt's?«, warf Fabel ein.
»Ich wurde zusammen mit den beiden anderen ausgewählt. Unter Dutzenden von Mädchen, die ihrerseits die Besten der Besten waren. Nur drei von uns waren zu Walküren ausersehen. Es war Drescher, der mich aus dem Programm hinauswarf.«
»Haben Sie ihn deshalb getötet? Und haben Sie ihn deshalb noch eine Weile am Leben gelassen, um ihn vorher zu foltern?«
Margarethe lächelte schwach. Es war das erste Mal, dass Fabel ihr Lächeln wahrnahm, und es erreichte nicht ihre kalten, leeren Augen. Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe ihn nicht getötet, weil er mich fallen ließ, sondern weil er mich überhaupt für ein solches Leben ausgewählt hatte. Mein Kopf ...« Sie zuckte zusammen, als werde sie von einer grässlichen Migräne geplagt. »Die Dinge in meinem Kopf ... Er hat sie dort untergebracht. Und ich kann sie nicht loswerden.«
»Was für Dinge?«, fragte Susanne.
»Ich habe sie Ihnen doch schon gezeigt. Sie konnten alle mühelos erkennen. In der Wohnung. Ich hatte nicht das Gefühl, mich mehrdeutig zu verhalten.« Ein Flackern der Ungeduld. An jedem anderen wäre es unbemerkt geblieben, doch nicht an ihr, da es über eine leere Miene hinwegglitt. »Er hat mir das Töten beigebracht. Das vor allem. Er und die anderen lehrten uns die vielen Tötungsmethoden. Wie man die Nase eines Menschen zertrümmert und ihm die Knochenfragmente ins Gehirn treibt. Oder wie man die Blutzufuhr zum Gehirn durch eine Umarmung unterbindet und das Objekt tötet, ohne dass es weiß, was geschieht. Wie ein Mann oder eine Frau verführt wird, und wie du sie so fickst, dass sie völlig von dir besessen sind. Wie du dich von deinem eigenen Körper löst, sodass du zu allem fähig bist, und zwar mit jedem. Wie du jemanden ohne sein Wissen verfolgst, ihn in die Falle lockst und in Sekundenschnelle tötest.
Sie schärften uns ein, dass wir aus jeder Situation etwas lernen konnten. Wie schlimm etwas auch sein mochte, wir konnten daraus einen Nutzen ziehen. Jeder Krieg, jedes Verbrechen würde eine Lektion für uns enthalten.« Sie zeigte auf das Messer im Spurensicherungsbeutel. »So erfuhr ich vom srbosjek. Und mehr. So viel mehr. Das Verrückte daran ... das völlig Verrückte ... war, dass sie uns beibringen wollten, zwischen den Treffen abzuschalten und ein normales Leben zu führen.«
Fabel lehnte sich einen Moment lang schweigend in seinem Stuhl zurück, als wolle er während der Vernehmung ein Interpunktionszeichen setzen. »Ich muss zugeben, dass mir Ihre organisatorischen Fähigkeiten sehr imponieren«, sagte er schließlich. »Ihre Planung und Ihr Einzug in die Wohnung unter der von Drescher: äußerst eindrucksvoll. Aber es ist unmöglich - ganz und gar unmöglich -, dass Sie all das in der Zeit seit Ihrer Flucht aus Mecklenburg organisieren konnten. Wer hilft Ihnen, Margarethe?«
Ein weiterer hohler Blick und Schweigen.
»Okay«, seufzte Fabel. »Jens Jespersen. Politiinspektor Jens Jespersen von der Dänischen Nationalpolizei. Eine Frau machte sich in einem Restaurant im Hanse-Viertel an ihn heran und überredete ihn, sich später mit
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