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Jan Fabel 05 - Walküre

Titel: Jan Fabel 05 - Walküre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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gar nicht so schlimm. Am schwersten ist mein Stolz getroffen worden.«
    »Wieso, weil dich eine Frau verprügelt hat?«
    Sie fanden zwei Plätze am Fenster, die recht weit von den meisten anderen besetzten Tischen entfernt waren.
    »Weil ich die ganze Situation falsch gehandhabt habe. Was hast du erfahren?«
    Susanne ließ ihr Notizbuch mit einem dumpfen Laut auf den Kantinentisch fallen. Sie schob eine widerspenstige Locke ihrer rabenschwarzen Haare hinters Ohr, setzte ihre Brille auf und blätterte in ihren Notizen.
    »Sie ist eine Psychopathin. Das steht fest. Aber trotz allem, was sonst noch passiert sein mag, ist sie keine Serienmörderin. Köpke versichert, dass sie keinen der anderen Morde begangen haben kann.«
    »Das stimmt nicht. Sie ist aus der Klinik geflüchtet, bevor Jake Westland und Armin Lensch getötet wurden. Und auch Jespersen. Sie könnte diese Morde durchaus begangen haben. Die einzigen, für die sie nicht infrage kommt, sind die ur­sprünglichen Engel-Morde.«
    »Nein, nein, Köpke meint es anders. Margarethe war zwar zum Zeitpunkt der anderen Morde auf freiem Fuß, doch Köpke ist sich sicher, dass sie sich ausschließlich auf Dreschers Ermor­dung konzentriert hat. Sie hätte keine Hemmungen gehabt, auch andere umzubringen, aber sie glaubte, eine Mission erfül­len zu müssen. Die einzigen anderen Personen, die sie getötet hätte, wären solche gewesen, die sich ihr bei diesem Mord in den Weg gestellt hätten.«
    »Vielleicht hatte sie entdeckt, dass Jespersen dem alten Dre­scher auf der Spur war«, überlegte Fabel zwischen zwei Bissen.
    »Ist das nicht ziemlich unwahrscheinlich? Egal, lass mich Köpkes Worte zusammenfassen ... Margarethe Paulus ist eine Psychopathin, wobei sich kaum sagen lässt, ob sie eine Pri­mär- oder eine Sekundärpsychopathin ist. Die Primären haben gewöhnlich eine genetische Veranlagung zur Psychopathie. Se­kundäre dagegen werden durch Erfahrung und Umwelt, bei­spielsweise durch groben Missbrauch, zu Psychopathen. Bei Margarethe liegt ein Spezialfall vor: Sie muss infolge ihrer Ge­hirnoperation in der Kindheit ein neurologisches Trauma erlit­ten haben. Möglicherweise ist ihre Psychopathie iatrogen - also die negative Auswirkung eines medizinischen Eingriffs. Aber das lässt sich nicht eindeutig feststellen, denn Psychopathie äu­ßert sich im Grunde erst bei Jugendlichen. Als Kinder sind wir alle naturgemäß egozentrisch. Während gesunde Menschen je­doch reifen und sich als soziale Wesen wahrzunehmen begin­nen, ist das bei Psychopathen nicht der Fall. Das Erschreckende ist, dass statistisch betrachtet etwa jeder Hundertste in der Be­völkerung ein Psychopath ist.«
    »Du machst Witze ...«
    »Das ist kein Witz. Und viele andere sind borderline. Wir alle kennen Egomanen. Den Ehemann, der die Frau, mit der er zwanzig Jahre lang zusammen war, und seine Kinder ohne die geringsten Bedenken verlässt. Oder den Firmenchef, der loyale Arbeiter ohne jegliche Gewissensbisse feuert ... Etliche Personen, die wir für egozentrische Halunken halten, sind Psy­chopathen. Den meisten gelingt es, sich in der Gesellschaft anzupassen und nie ein kriminelles oder eindeutig antisoziales Benehmen zu zeigen.« Susanne trank einen Schluck von ihrem Kaffee. »Du erinnerst dich, dass wir über Irma Grese, die Hyäne von Auschwitz, gesprochen haben ... Vielleicht wäre sie das per­fekte Beispiel für jemanden gewesen, der ein ganz normales Le­ben hätte führen können. Das ist die Gefahr, Jan. Wenn jemand wie Hitler auftaucht, kann er sich dieses eine Prozent der Be­völkerung zunutze machen. Wer über einen Stamm von Men­schen verfügt, die keine Schuldgefühle oder Reue kennen und die völlig unfähig zu Mitleid, Erbarmen oder Einfühlung sind, der kann sie dazu bringen, fast jede Untat zu begehen.«
    »Und Margarethe gehört zu diesen Menschen ...«
    »Nicht ganz. Margarethe ist alles andere als ein Grenzfall. Köpke meint, sie sei eine wahre Soziopathin und leide, was un­gewöhnlich ist, an einer dissozialen, nicht an einer antisozialen Persönlichkeitsstörung.«
    »Worin liegt der Unterschied?«, fragte Fabel.
    »Hauptsächlich darin, dass sie normaler agieren kann oder zumindest den Anschein erweckt. Dissoziale Soziopathen ge­raten seltener durch Straffälligkeit, kriminelles Benehmen und Ähnliches in Schwierigkeiten als der antisoziale Typ. Sie verste­hen es besser, ihr Verhalten zu tarnen. Margarethe dürfte nicht daran gelegen gewesen sein, antisozial

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