Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Jan Fabel 05 - Walküre

Titel: Jan Fabel 05 - Walküre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
Vom Netzwerk:
sah er, wie Dirk und Henk mit einem großen Mann aus dem Haupteingang kamen. Der Mann hatte graue Haare und trug einen eleganten langen, blauen Mantel. Er war mit Handschellen gefesselt und wurde zu einem Streifenwagen geführt. Fabel begrüßte seine Kollegen mit einem Nicken und hatte den Eindruck, den Verhafteten nicht zum ersten Mal vor sich zu haben. Irgendwo anders war ihm dessen ehrbares Äußeres bereits deplatziert vorgekommen. Seine Augen begegneten denen Fabels für den Bruchteil einer Sekunde, bevor der Schutzpolizist seinen Kopf in die Türöff­nung schob.
    »Jemand, den du kennst?«, fragte Anna.
    »Nein«, sagte Fabel. »Ich bin ihm schon früher begegnet, das ist alles. Zweimal.«
    Am Tatort befanden sich zwei uniformierte Beamte: Ein älterer Obermeister stand am Fuß des Bettes, während sein jun­ger Kollege auf dem Korridor mit einer Putzfrau sprach. Holger Brauner, der Chef des Spurensicherungsteams, arbeitete zu­sammen mit einem Helfer. Beide trugen blaue Overalls und Latexhandschuhe.
    Fabel kannte den älteren Schutzpolizisten: einen Mann na­mens Hanusch mit fünfundzwanzig Jahren Dienstzeit. Es war üblich, einen weniger erfahrenen Beamten mit einem dienstäl­teren zusammenzutun, um ihm den Umgang mit der Welt der Gewalt und des Todes zu erleichtern, die sich nicht von der All­tagsarbeit trennen ließ. Überraschend war, dass das Gesicht des älteren Polizisten seine Farbe verloren hatte. Die Augen, die im Lauf der Jahre so viel gesehen hatten, wirkten melancholisch. Dagegen schien der jüngere Beamte auf dem Flur von Adrena­lin aufgeputscht zu sein und wie unter Strom zu stehen.
    Fabel folgte dem Blick des älteren Polizisten. Ein hübsches Mädchen von ungefähr zwanzig Jahren lag auf dem Bett. Ihre Augen, blutunterlaufen und glasig, starrten den Uniformierten an. Ihre Lippen waren bläulich, ihre Zunge ausgestreckt und ihr Mund ein wenig geöffnet. Die geplatzten Kapillargefäße an ih­rem Hals hatten ein zartes blaues Adergeflecht entstehen lassen. Fabel betrachtete ihr Gesicht, und etwas in seinem Innern krampfte sich zusammen.
    »Mein Gott ...«Er schaute Hanusch an, der mitfühlend lä­chelte. Wie Fabel musterte er die Leiche und die erbärmliche Szene nicht nur mit den Augen eines Polizisten, sondern auch mit denen eines Vaters, der vor den sterblichen Überresten einer jungen Frau stand.
    »Wir sollten die Eltern benachrichtigen«, sagte Hanusch. »Ich werde versuchen, sie ausfindig zu machen. Vielleicht hat das Mädchen einen Ausweis.«
    »Nicht nötig, ich kümmere mich darum«, erklärte Fabel. »Ich weiß, wo sie wohnen. Nur ein paar Blocks von hier.«
    Fabel spürte, wie Anna und Hanusch ihn forschend ansa­hen, aber er fuhr nur fort: »Sie wollte Ärztin werden. Ihr Name war Christa Eisel. Sie hat Medizin an der Universität Hamburg studiert.«
     

6.
     
    »Was ist los?«, fragte Susanne. »Du klingst niedergeschlagen.«
    »Bin ich auch. Das Übliche. Ich komme gerade von einem Mordtatort. Ein Mädchen von neunzehn oder zwanzig Jahren. Medizinstudentin, Prostituierte im Nebenjob. Irgendein alter Perversling hat sie erwürgt.«
    »Meine Güte«, sagte Susanne. »Doch nicht das Mädchen, von dem du mir erzählt hast - das Jake Westland gefunden hatte?«
    »Ja, genau die. Ich habe versucht, sie zu warnen, Susanne, aber sie wollte nicht zuhören.«
    »Es ist nicht deine Schuld, Jan. Ist ihr Tod mit den anderen Morden verknüpft?«
    »Nein ... Reiner Zufall. Oder vielleicht auch nicht - in dem Milieu. Darauf wollte ich sie hinweisen. Und ich weiß, dass es nicht meine Schuld ist, aber irgendwie fühle ich mich verant­wortlich.«
    »Das liegt an deinem Alter, Jan. Du hast nun das Stadium erreicht, in dem du mehr und mehr Menschen als deine Söhne oder Töchter ansiehst.«
    »Vielen Dank, Dr. Eckhardt, für die aufmunternden Worte. Nicht nur, dass die Welt zum Teufel geht, sondern ich stehe auch noch mit einem Fuß im Grab.«
    »Das trifft die Sache. Aber im Ernst, ist alles in Ordnung?«
    »Ja, bestens. Nur schade, dass du heute Abend wegfährst.«
    »Es ist nur für ein paar Tage. Ich hab's meiner Mutter seit einer Ewigkeit versprochen.«
    »Sehen wir uns noch, bevor du aufbrichst?«
    »Das hängt davon ab, wann du von der Arbeit heimkommst, aber ich bezweifle es. Der Zug fährt um neunzehn Uhr ab. Viel Glück mit der Falle für die Walküre. Ruf mich morgen bei mei­ner Mutter an und lass mich wissen, wie es gelaufen ist.«
    Fabel wünschte Susanne eine gute Reise und

Weitere Kostenlose Bücher