Jan Fabel 05 - Walküre
erkennen lässt.«
»Bisher nicht. Vielleicht können wir ein Schweizer Nummernkonto von Drescher ausfindig machen, das uns weiterführt ... Ich werde der Sache nachgehen.«
»Tu dein Bestes, Hans. Ich bin dir für jede Spur, jeden Hinweis dankbar.«
5.
Es war nicht der ideale Tag für einen Strandspaziergang. Das Wasser der Elbe schäumte und schnappte nach dem eiskalten Wind, der es aufpeitschte, und nach dem trüben, stahlgrauen Nebel, von dem es eingehüllt wurde. Er hatte die Fäuste tief in die Manteltaschen gesteckt und eine Wollmütze fest über die Ohren gezogen, doch er schritt ungebeugt dahin und setzte sein feuchtes, durchgefrorenes Gesicht dem Wind aus. Zwei Sommer zuvor war er hier mit seiner Frau entlanggegangen, und sie hatten über die Zukunft gesprochen. Darüber, dass es nun vielleicht an der Zeit sei, Kinder zu haben.
Er blieb stehen und beobachtete die im Nebel verschwommenen Konturen eines Frachters, der weiter hinaus in die Elbe glitt, in den tiefen Kanal knapp hinter der Naturschutzinsel Neßsand. Der Frachter hob sich dunkel und massig von dem Grau ab und ließ seine Sirene ertönen - einen tiefen, wehleidigen Dinosaurierruf im Dunst.
Er stemmte sich wieder dem Wind entgegen, als er eine Gestalt vor sich bemerkte. Einen weiteren Schatten im Grau. Die Gestalt stand still und betrachtete das Schiff. Wenn sie etwas betrachtete. Er trat näher an sie heran. Nun sah er das Profil und die blonden Haarsträhnen, die nicht von der Wollmütze gebändigt wurden. Eine Frau.
»Guten Tag.«
Die Frau zuckte zusammen und drehte ihm das Gesicht zu. Sie riss die Hände aus den Taschen und verharrte, als wolle sie ihn angreifen.
»Entschuldigung«, sagte er. »Ich wollte Sie nicht erschrecken.«
»Ich habe einen Spaziergang gemacht«, flüsterte sie. »Nur einen Spaziergang.«
»Fühlen Sie sich nicht wohl?«
Sie blickte ihn ausdruckslos an, und es überraschte ihn, wie leer ihre Miene war. Dann lächelte sie. »Es tut mir leid. Ja, Sie haben mich erschreckt. Nicht Ihre Schuld. Der Nebel.«
»Sind Sie sicher, dass alles in Ordnung ist?« Die Anteilnahme in seiner Stimme war aufrichtig.
Sie zuckte die Achseln. »Ehrlich gesagt, ich habe mich ein wenig verlaufen. Mein Wagen ist irgendwo dahinten geparkt ...« Sie winkte vage am Strand entlang in Richtung der Fähranlegestelle. »Ich brauchte etwas frische Luft. Einen Spaziergang. Aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass der Nebel so dicht sein würde.«
»Es ist kein Abend für einen Strandspaziergang.«
»Was tun Sie dann hier?« Sie lächelte erneut, und nun fiel ihm auf, wie hübsch sie war. Ganz anders als Silke, seine Frau, doch sehr hübsch.
»Ich wohne in der Nähe und kenne mich in der Gegend aus.«
Sie schaute hinüber nach Blankenese, das sich als dunkle Masse, durchsetzt mit gelben Lichtern, im Nebel abzeichnete. »Sie wohnen hier?«
»Ja ... dort drüben.« Er streckte die Hand aus.
»Könnten Sie mich dann bitte zum Weg zurückbegleiten?«, fragte sie. »Ich weiß nicht mehr, wo ich durch die Mauer an den Strand gekommen bin.«
»Selbstverständlich.« Er hielt ihr die Hand hin. »Ich heiße Svend Langstrup.«
»Und ich Birta. Birta Henningsen.«
6.
Sie hielten gerade vor der Villa in Blankenese an, als die Nachricht eintraf, dass Jana Eigens Auto in einem Wald südlich von Sülldorf entdeckt worden sei.
»Mein Gott«, sagte Fabel. »Das ist in Gehweite von hier.«
»Jana Eigen ist Anke Wollner?«, fragte Karin Vestergaard.
»Und Anke Wollner ist die Walküre.« Er zog die Automatik aus dem Halfter und überprüfte das Magazin. »Sie ist zurückgekommen. Es gibt etwas in diesem Haus, das sie braucht.« Er wandte sich an van Heiden. »Horst, wir müssen sehen, ob sie hier ist. Aber wir sollten vielleicht warten, bis Verstärkung eingetroffen ist.«
»Das hat im Alsterpark auch nicht viel gebracht. Also los.«
Fabel bedeutete van Heiden mit einer Geste, dass er warten solle, und griff in das Handschuhfach. Er holte eine SIG-Sauer Automatik in einem Halfter hervor, um das ein Schultergurt gewickelt war, und hielt sie Karin Vestergaard hin. Er ließ die Waffe jedoch nicht los, als die Dänin die Hand danach ausstreckte, sondern wandte sich wieder zu van Heiden um.
»Was soll's«, sagte van Heiden mit einem Achselzucken.
Karin Vestergaard nahm die Pistole, zog ihren Mantel aus und band sich das Halfter um, bevor sie den Schlitten der Automatik zurückschnappen ließ und
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