Jan Fabel 05 - Walküre
Mobiltelefon.
»Hallo, Hans? Hier ist Fabel ... Du hattest doch erwähnt, wo Svend Langstrup wohnt?«
»Was? Oh ... in Blankenese.«
»Hast du die Adresse?«
»Ich glaube, kurz hinter dem Strandweg. Einen Augenblick ...« Ein paar Sekunden später gab Gessler die Adresse durch.
»Sie ist hier, um Svend Langstrup umzubringen«, sagte Fabel, nachdem er sein Handy zugeklappt hatte. »Und dann wird sie sich Gina Bransted vornehmen.«
7.
Langstrup brachte den Wein ins Wohnzimmer. Anke saß auf dem Teppich vor dem Kamin und blickte in die Flammen. Das Glühen des Feuers betonte den perfekten Bogen ihrer Wange und ihres Kiefers und ließ das Hellblond ihrer Haare golden schimmern.
»Haben Sie sich aufgewärmt?«
»Mmm«, murmelte sie behaglich, trotz des unablässigen Stechens in ihrer Beinwunde. Anke trank einen großen Schluck Wein und schaute sich im Zimmer um. Ihr Blick fiel auf ein silbern gerahmtes Foto auf einem Serviertisch. Es zeigte Langstrup und eine attraktive Frau mit rotblondem Haar in einem Garten. Beide richteten die Augen auf die Kamera, und Langstrup hatte den Arm um ihre Schultern gelegt. Sie lächelten, doch während er froh und zufrieden wirkte, schien die Frau hinter dem Lächeln gar nicht vorhanden zu sein. Anke kannnte diesen Gesichtsausdruck.
»Ihre Frau?«
Er nickte, sah das Foto jedoch nicht an. »Ja. Das ist Silke.«
»Sie ist sehr hübsch.«
»Mhm.«
»Wo ist sie heute Abend? Wahrscheinlich würde es ihr nicht gefallen, dass Sie mit fremden Frauen vom Strand heimkommen und ihnen Wein einschenken.«
»Silke hatte Probleme. Psychische Störungen.« Er starrte in sein Weinglas. »Depression. Sie hat Selbstmord begangen.«
»O Gott. Es tut mir so leid. Ich hätte das Thema nicht ...«
»Das konnten Sie nicht wissen. Eine verständliche Frage.« Langstrup trank einen ausgiebigen Schluck Weißwein. »Es war vor zwei Jahren. Die Polizei meinte, es könnte genauso gut ein Unfalltod wie Selbstmord gewesen sein. Silke hatte nämlich keinen Abschiedsbrief hinterlassen.«
»Waren Sie deshalb unten am Wasser?«
»Ich weiß es nicht. Mag sein.«
Anke betrachtete das Foto erneut: das maskenhafte Lächeln, hinter dem sich Leere verbarg.
»Es tut mir wirklich leid.« Anke stand auf. »Ich weiß, wie es ist, jemanden auf diese Art zu verlieren.«
»Tatsächlich? Wie furchtbar.«
»Meinen Onkel.« Sie setzte das Glas an die Lippen und schaute ins Feuer. »Ich weiß, das klingt nicht so wichtig, aber er war mehr für mich als ein Onkel. Eher eine Art Vater. Meine Eltern ... also, meine Eltern waren nicht da, und er hat mich aufgezogen. Er hat mir alles beigebracht, was ich weiß. Ihm verdanke ich, was ich heute bin.«
»Er ist vor Kurzem gestorben?«
»Ja.« Sie stellte das Weinglas auf den Couchtisch und musterte ihn unverwandt.
Er erwiderte ihren prüfenden Blick. »Gibt es ein Problem?« Die Türklingel ertönte.
»Entschuldigung«, sagte Langstrup. Er erhob sich und zuckte die Achseln. »Ich habe nicht viele Besucher, aber heute Abend ...«
Das Klingeln wurde hartnäckiger. Dann pochte jemand an die Tür. Langstrup runzelte die Stirn und ging in Richtung Flur.
Sobald er ihr den Rücken zugekehrt hatte, sprang Anke vorwärts. Das graue Polycarbonatmesser beschrieb einen Bogen und traf ihn an der Halsseite. Sie schlang ihm den anderen Arm um den Kopf und setzte ihr Gewicht ein, um ihn auf den Fußboden zu ziehen, doch Langstrup war stark und geschickt. Er rammte ihr den Ellbogen in die Rippen, und sie krachten gegen den Couchtisch. Das Messer steckte noch in seinem Hals, aber offensichtlich hatte sie die Schlagader verfehlt.
Anke hörte, wie die Haustür aufgerammt wurde. Sie ließ Langstrup los und federte hoch. Die Wunde an ihrer Wade ließ sie ein wenig aus dem Gleichgewicht geraten. Die Haustür brach aus den Angeln und knallte an die Wand der Diele. Anke riss die Beretta aus ihrem Rockbund. Langstrup rollte auf die Seite und umklammerte das Heft des Messers. Seine kleinen, harten Augen waren nun wild und angsterfüllt. So, wie sie es sich gewünscht hatte.
Die drei Polizisten stürzten ins Wohnzimmer, richteten ihre Waffen auf sie und schrien, sie solle die Pistole fallen lassen. Anke erkannte einen von ihnen als Jan Fabel. Die Frau war, wie sie wusste, Karin Vestergaard, die Chefin und frühere Geliebte von Jens Jespersen, den Anke in seinem Hotelzimmer getötet hatte. Nun stand sie vor der Wahl, den Kampf mit den Polizisten aufzunehmen oder
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