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Jan Fabel 06 - Tiefenangst

Titel: Jan Fabel 06 - Tiefenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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unterscheidet sich gar nicht so sehr von Ihrem. Es gibt immer irgendwelche Spuren, irgendwelche Anhaltspunkte. Der Aufwand und das Geschick, mit denen der Straftäter versucht, seine Spuren zu verwischen, hängen von seiner Intelligenz und Fachkenntnis ab. Genau wie in der realen Welt.«
    »Aber damit wird immer noch nicht die Frage beantwortet, wie sich eine falsche Identität durchschauen lässt«, sagte Werner.
    »Ich weiß nicht, wie viele von Ihnen Mitglieder einer Social Networking Site sind, aber wer es ist, wird das ziemlich beunruhigende Phänomen kennen, dass Anzeigen in genau dem Moment auftauchen, in dem sie für einen besonders relevant zu sein scheinen … Werbung für Hochzeitsfotografen, wenn man sich gerade verlobt hat, für ein Restaurant kurz vor einem Geburtstag, für ein Sportgeschäft, das Sonderangebote für unser Hobby hat … Es ist so, als könne irgendein Cyber-Hellseher unsere Gedanken lesen. Aber in Wirklichkeit verstreuen wir unmäßig viele Details von uns.
    Da wir in normalen Dimensionen denken, setzen wir voraus, dass niemand in der Lage ist, all diese kleinen Informationsfetzen zusammenzufügen. Aber das System kann sie zusammenfügen, und zwar auf der Stelle. Von manchen Informationen wissen wir nicht einmal, dass wir sie hinterlassen haben: Unsere persönlichen Daten und unser Browsing-Verhalten werden analysiert, bisweilen automatisch. Nichts, was wir im Internet tun, ist zufällig. Wir glauben, dass wir spontan, impulsiv von einer Website oder einer Seite zur anderen springen, aber alledem liegt eine Logik oder ein psychologisches Motiv zugrunde. Je entspannter und zielloser wir surfen, desto mehr enthüllt unser Verhalten unsere Psyche, unsere Identität.
    In der Arbeitsgruppe Cyberverbrechen haben wir Zugang zu allen möglichen Experten: IT-Spezialisten, Soziologen, Psychologen, Kriminologen. Wir setzen sogar Linguisten ein, die Vokabular, Syntax und Grammatik eines Users analysieren und so seinen Bildungsgrad, sein Alter usw. bestimmen. Außerdem besitzen wir eine analytische Software, die in der Lage ist, einen Benutzer innerhalb von Sekunden zu charakterisieren. Um also Ihre Frage zu beantworten, Herr Meyer: Ja, es kann schwierig sein, eine sorgfältig aufgebaute Avatar-Identität im Netz zu durchschauen, aber wir verfügen über ein effektives Instrumentarium, und es ist viel mühsamer, sich hinter einer erfundenen Identität zu verstecken, als man annehmen sollte.«
    »Vielen Dank«, sagte Fabel. »Hauptkommissar Kroeger wird mit uns zusammenarbeiten und die Verbindung zu den anderen Experten in seiner Gruppe herstellen. Anna hat ihm die vollständige Liste sich möglicherweise überschneidender Identitäten aus den Social Networking Sites übergeben. Die Auswahl wird dadurch eingegrenzt, dass jedes der Opfer offenbar eine andere Site bevorzugt hat. Es ist uns schwergefallen, Überschneidungen in ihrem realen Alltagsleben und auch in ihren Online-Aktivitäten zu finden, aber wir wissen, dass alle vier Frauen regelmäßig Social Networking Sites aufsuchten, um Männer kennenzulernen.«
    »Ich habe noch vergessen zu erwähnen«, meinte Kroeger, »dass wir die von den Frauen benutzten Computer beschlagnahmen konnten. Unsere Technologie ermöglicht es uns nun, ihre Schritte zurückzuverfolgen. Vielleicht gelingt es uns sogar, einen erheblichen Teil ihrer Chatroom-Nachrichten wiederherzustellen. Und dann könnten wir sehr spezifische Spuren verfolgen.«
    »Wie weit sind Sie bisher gekommen?«, fragte Fabel.
    »Es dauert nicht mehr lange. Vielleicht noch ein oder zwei Tage, bis uns eine Menge Hinweise vorliegen – eine sehr mühselige Arbeit.«
    »Natürlich.« Kroeger schien nur aus Zahlen zu bestehen und keine Persönlichkeit zu haben. Aber hier handelte es sich nicht um ein Spiel oder eine professionelle Herausforderung. In zwei Tagen würde möglicherweise eine weitere Frau tot sein. Unter Umständen plante sie gerade, ihren Mörder zu treffen. Sie plauderte, flirtete, verabredete sich mit der elektronischen Fiktion. »Andererseits wissen Sie bestimmt, dass es auf jede Minute ankommt.«
    »Selbstverständlich räumen wir diesem Fall absolute Priorität ein.« Kroeger schien immer die richtigen Worte zu finden, doch an seiner Miene oder an seinen grauen Augen war nicht abzulesen, ob sich für ihn damit irgendwelche Emotionen verbanden. Der Mann ist beinahe selbst eine Maschine, dachte Fabel.
    Er hatte schon einmal mit Kroeger zusammengearbeitet: bei der Ermordung eines

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