Jan Fabel 06 - Tiefenangst
die Hand und musterte sie kurz.
»Gestern Abend haben Sie im Präsidium angerufen, um die Personalien einer Frau überprüfen zu lassen. Einer gewissen Julia Helling.«
»Oh, ja … Ja, das stimmt. Was ist mit ihr?«
»Und Sie haben dem diensthabenden Beamten gegenüber angegeben, dass sie in Eppendorf wohnt. Warum haben Sie gerade diesen Namen und diese Adresse überprüfen lassen?«
»Das war gestern Abend, nachdem ich meine Arbeit im Präsidium beendet hatte. Ich wollte mir etwas zu essen holen und hatte vergessen …« Fabel hielt inne. Es hätte mehr als gefühllos geklungen zuzugeben, dass er den Tod seines langjährigen Freundes vergessen hatte. Und während er dasaß und sich fühlte, als werde er verhört, erschien auch ihm die Tatsache merkwürdig. »Ich hatte vergessen, dass der Imbiss geschlossen worden war. Dann erschien plötzlich eine Frau wie aus dem Nichts. Ihr Benehmen war irgendwie seltsam. Außerdem schien sie zu wissen, wer ich bin.«
»Wie kommen Sie darauf?«, fragte Steinbach.
»Ich bin mir nicht sicher«, erwiderte Fabel freimütig. »Es hatte mit ihrer Ausdrucksweise zu tun. Sie kannte den Mann, dem der Schnellimbiss gehört hatte. Und sie schien auch zu wissen, dass wir befreundet gewesen waren.«
»Dirk Stellamanns?«, fragte Werner und verzog das Gesicht. Genau die Reaktion hatte Fabel befürchtet. Es klang in der Tat sonderbar. Er nickte.
»Also haben Sie sich den Ausweis der Frau zeigen lassen?«, fragte van Heiden.
»Ja. Würde mir jemand sagen, worum es hier geht?«
»Alles zu seiner Zeit, Herr Fabel.« Steinbach milderte seine Antwort mit einem Lächeln. »Ich weiß, dies ist alles sehr ungewöhnlich, aber es handelt sich um eine ernste Angelegenheit, und wir müssen einige der Fakten und die Chronologie der Ereignisse überprüfen. Können Sie die Frau beschreiben?«
Fabel schilderte das Äußere der unauffälligen, mit einem Kostüm bekleideten Frau, die er an den Docks getroffen hatte. Dabei fiel ihm ein, dass das Paar, das er am selben Morgen im Café gesehen hatte, sehr ähnlich gekleidet gewesen war. Er verdrängte den Gedanken. Sie alle sahen gleich aus: Konzern-Klone.
»Und sie war blond?«, wollte van Heiden wissen. »Nicht brünett?«
»Nein, blond. Wie ich gesagt habe.«
»Und Sie hatten vorher keinen Kontakt zu ihr – oder zu jemandem mit dem gleichen Namen?«, fragte Steinbach.
»Nein, auf keinen Fall. Warum fühle ich mich plötzlich wie ein Verdächtiger? Was hat es mit dieser Frau auf sich?«
»Bitte noch etwas Geduld, Herr Fabel«, sagte Steinbach. Er zog ein Foto aus dem Ordner und reichte es seinem Untergebenen. Fabel wusste, dass das Bild in der Pathologie am Butenfeld aufgenommen worden war, denn er erkannte die Tote sofort.
»Und das ist nicht die Frau?«, erkundigte sich Steinbach.
»Natürlich nicht. Das wissen Sie doch. Es ist die Frau, die wir in der Poppenbütteler Schleuse gefunden haben. Wie hätte sie es gewesen sein können, denn sie lag gestern Abend schon lange in der Pathologie? Die Frau, mit der ich gesprochen habe, war sehr lebendig.«
»Wir haben ihre Identität, Jan«, erklärte Werner. »Sie ist uns heute Morgen übermittelt worden.« Er nickte besorgt zu dem Foto in Fabels Hand hinüber. » Dies ist Julia Henning. Sie wohnte unter der Adresse in Eppendorf, die du hast überprüfen lassen.«
»Shit«, sagte Fabel auf Englisch. »Also muss die Frau, der ich begegnet bin, etwas mit den Morden zu tun haben.«
»Das ist im Moment nicht unser Hauptproblem, Herr Fabel«, sagte van Heiden. »Wir haben einen Bericht von Hauptkommissar Kroeger und der Technischen Abteilung über das Handy, das Sie abgegeben haben. Sie können keinen Anhaltspunkt dafür entdecken, dass Ihnen eine SMS mit den Worten ›Poppenbütteler Schleuse‹ geschickt worden ist.«
»Wie gesagt, die Nachricht ist irgendwie gelöscht worden.«
»Herr Kroeger hat mir versichert, dass sein Team, selbst wenn die Nachricht gelöscht worden wäre, den Text hätte wiederherstellen können. Und es hat auch bei Ihrem Dienstleister nachgeforscht. Wiederum keine Spur.«
»Sie sehen, womit wir uns herumschlagen, Herr Hauptkommissar«, nahm Steinbach den Faden auf. »Sie scheinen vorher gewusst zu haben, wo ein Opfer gefunden werden würde, und dann kennen Sie den Namen und die Adresse der Frau, bevor wir ihre Identität ermittelt haben.«
Fabel schaute Steinbach ungläubig an. »Sie können doch nicht allen Ernstes der Meinung sein, dass ich durch diese Zufälle zum
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