Jan Fabel 06 - Tiefenangst
Verdächtigen werde?«
»Für sich allein genommen, nein …« Menke schaltete sich zum ersten Mal ein. »Aber das ist noch nicht alles. Wir haben uns gestern Abend ausführlich über das Pharos-Projekt unterhalten, und Sie haben Frau Wolff angewiesen, so viel Material wie möglich über die Organisation zu sammeln. Das war einen Tag nachdem Senator Müller-Voigt mich hartnäckig zum selben Thema befragt hatte.«
»Na und?« Fabel ärgerte sich über die Einmischung des BfV-Mannes. Dies war eine Sache für die Polizei.
»Ich wollte von Ihnen wissen, wo Sie vorgestern Abend waren«, unterbrach van Heiden. »Aber Sie sind ausgewichen. Warum, Herr Fabel?«
»Um ehrlich zu sein, Herr Kriminaldirektor, es geht Sie nichts an, was ich in meiner Freizeit tue.« Fabel fühlte sich in die Enge gedrängt und tauschte einen Blick mit Werner aus.
»Ganz im Gegenteil«, widersprach van Heiden. »Wenn Sie sich in Ihrer Freizeit ohne mein Wissen mit einem Mitglied des Hamburger Senats treffen und mit ihm über polizeiliche Angelegenheiten sprechen, geht es mich durchaus etwas an.«
»Wenn Sie wussten, wo ich war, warum haben Sie mich dann gefragt?«
»Also haben Sie Herrn Müller-Voigt vorgestern Abend bei ihm zu Hause besucht?«, hakte Steinbach nach.
»Ja. Nach der Besprechung hier im Präsidium hat er mich gebeten, noch am selben Abend zu ihm zu kommen.«
»Warum?«
Fabel atmete tief durch, bevor er die Geschichte von Müller-Voigts verschollener Freundin, von der Überzeugung des Senators, dass jemand absichtlich alle Spuren ihrer Existenz in Deutschland beseitigt hatte, und von seinem Misstrauen gegenüber dem Pharos-Projekt wiederholte. Außerdem berichtete er, dass Müller-Voigt ihn gebeten hatte, die Nachforschungen »inoffiziell« anzustellen.
»Deshalb also haben Sie und er mich zu Pharos befragt«, sagte Menke.
Fabel nickte. »Und je mehr ich darüber herausfinde, desto plausibler erscheint es mir, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Pharos-Projekt und dem Verschwinden der Frau gibt.«
»Seit wann haben Sie die Genehmigung, private Ermittlungen durchzuführen?« Eine Sturmwolke verdüsterte van Heidens Miene. »Was haben Sie sich denn bloß dabei gedacht, für Müller-Voigt herumzuschnüffeln?«
Fabel hob die Hände. »Lassen Sie uns eines richtigstellen: Meine Nachforschungen waren nicht völlig inoffiziell. Zuerst habe ich Müller-Voigt erklärt, dass ich nicht genug Zeit hätte, aber dann wurde mir klar, dass die am Fischmarkt angeschwemmte Leiche tatsächlich die von Meliha Yazar sein könnte. Das war der einzige Grund für meine Bereitschaft, die Sache zu untersuchen. Und Senator Müller-Voigt weiß, dass ich nicht garantieren kann, dass sein Name aus dem Fall herausgehalten wird. Ihn interessiert nur, was dieser Frau zugestoßen ist.«
Steinbach, van Heiden und Werner tauschten einen Blick aus und schwiegen.
Fabel machte ein erbittertes Gesicht.
»Müller-Voigt ist tot, Jan«, sagte Werner. »Er wurde heute am frühen Morgen in seinem Wohnzimmer von seiner Putzfrau entdeckt. Dorthin war Anna unterwegs, als du eintrafst.«
»Shit.« Fabel saß einen Moment lang regungslos da. Dann, als wäre in seinem Innern der Strom eingeschaltet worden, sprang er plötzlich auf. »Ich fahre auch dorthin …«
»Das wäre nicht ratsam, Herr Fabel«, widersprach Steinbach. »Sie werden es selbst einsehen, unter den Umständen …«
»Meinen Sie tatsächlich, dass ich unter Verdacht stehe?«
»Niemand ist dieser Meinung.« Van Heidens ein wenig beleidigter Tonfall überzeugte Fabel nicht. »Aber Sie sind kompromittiert, was diese beiden Mordermittlungen angeht. Es ist einfach unmöglich, dass Sie eine Untersuchung zu einem Fall leiten, in den Sie selbst verwickelt sind. Das müssen Sie verstehen.«
»Was geschieht nun? Bin ich suspendiert?«
»Natürlich nicht«, erklärte Steinbach.
»Dann bestehe ich darauf, die Leitung im Fall Müller-Voigt zu übernehmen.« Fabel konnte selbst nicht glauben, dass er den Mann, mit dem er nur zwei Tage zuvor zusammengesessen und sich unterhalten hatte, nun als Gegenstand eines Falles bezeichnete. »Das ist schließlich meine Arbeit. Und ich habe ein persönliches Interesse daran …«
»Aber genau das ist das Problem«, unterbrach ihn van Heiden. »Gerade wegen Ihrer persönlichen Beteiligung müssen wir den Fall einem anderen Beamten übergeben.«
»Ich schlage vor, dass wir alle zum Tatort hinausfahren«, sagte Menke. »Anscheinend steckt mehr hinter der Sache,
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