Jan Fabel 06 - Tiefenangst
ich die Nachrichten selbst zufällig gelöscht. Aber die Technische Abteilung gibt mir sowieso bald Bescheid …« Er unterbrach sich. »Ich habe dich vermisst.«
»Ich dich auch«, sagte Susanne. Ihre Stimme enthielt immer noch eine Spur von Besorgnis. »Wir sehen uns am Flughafen.«
Fabel ließ den größten Teil seines Rotterdam Breakfast stehen, zahlte und kehrte zu seinem Auto zurück. Nach dem zu starken Kaffee fühlte er sich angespannt, deshalb schaltete er auf der Fahrt durch die Stadt zum Präsidium seinen MP3-Player ein, um seine Nervosität zu dämpfen. Diesmal hörte er Lars Danielsson. Vielleicht, dachte Fabel, hätte ich als Schwede geboren werden sollen.
Die Musik hatte die übliche Wirkung, und als Fabel auf dem Parkplatz des Präsidiums anhielt, fühlte er sich trotz des einen oder anderen Koffeinflatterns fähig, mit allem, was der Tag für ihn bereithielt, fertig zu werden.
Er hätte sich kaum stärker irren können.
22.
Sobald Fabel aus dem Lift trat, wusste er, dass etwas nicht stimmte.
Auf dem Korridor kam ihm Anna aus der anderen Richtung entgegen. Sie zögerte, sah ihn forschend an und bewegte den Mund, als wolle sie etwas sagen, doch sie wurde von van Heiden daran gehindert, der sich hinter ihr in den Korridor hinauslehnte und Fabel in die Mordkommission rief. Anna ging weiter, doch vorher warf sie Fabel einen so intensiv warnenden Blick zu, dass sein Magen plötzlich durchzusacken schien.
Sie warteten im Hauptbüro der Mordkommission auf ihn: van Heiden, der BfV-Mann Fabian Menke und Werner, der Fabel mit einer Mischung aus Sympathie, Frustration und Verzweiflung zunickte. Fabels Magen schien noch stärker durchzusacken.
Im Lauf der Jahre hatte er sich an Kriminaldirektor van Heidens düstere Begrüßungen gewöhnt. Oft hatte er das Gefühl, dass sein Vorgesetzter ein Mann mit sehr begrenzten Emotionen war. Van Heiden schien nur zwei Mienen zu haben: trübsinnig und noch trübsinniger. Seine Verdrießlichkeit wurde in der Regel durch unwillkommene Eingriffe der Presse oder der Politik in noch nicht abgeschlossene Ermittlungen oder durch irgendeine kritische Schlagzeile über die Polizei Hamburg ausgelöst. Aber diesmal gab es andere Gründe. Was immer sich nun im Gesicht des Kriminaldirektors widerspiegelte, Fabel hatte es noch nie zuvor beobachtet.
»Warum habe ich das Gefühl, gerade zu einer Beerdigung gekommen zu sein, um dann herauszufinden, dass es meine eigene ist?« Fabel lächelte und wurde durch van Heidens regloses Gesicht daran erinnert, dass der Humor des Kriminaldirektors genauso begrenzt war wie seine Emotionen. »Was ist passiert?«
»Kommen Sie am besten mit«, sagte van Heiden. »Sie auch, Oberkommissar Meyer.«
»In Ordnung«, seufzte Fabel, und sie steuerten auf den Lift zu. »Bekomme ich wenigstens einen Hinweis?«
»Müller-Voigt ist …«, begann Werner, doch ein scharfer Blick van Heidens ließ ihn verstummen.
Fabel ließ seinen Chef und den BfV-Mann vorangehen. Die fünfte Etage des Hamburger Polizeipräsidiums war für Beamte von Fabels Dienstgrad oder darunter eine Örtlichkeit, die man hinter anderen betrat. Hier befand sich die Leitungsebene des Präsidiums, und als Fabel klar wurde, dass sie sich dem Präsidentenbüro näherten, verschärfte sich sein ungutes Gefühl noch um ein oder zwei Grad. Am Empfang wurden sie sofort in das Büro des Präsidenten geleitet.
Hugo Steinbach kam hinter seinem mächtigen Schreibtisch hervor. Während van Heiden nichts anderes als ein Polizist sein konnte, hatte man bei Steinbach den Eindruck, er müsse unbedingt etwas anderes sein. Fabel erinnerte der onkelhafte, stets lächelnde Steinbach eher an einen Landarzt oder sogar an den gastfreundlichen Besitzer eines ländlichen Hotels. Aber er war Polizist mit Leib und Seele. Steinbach hatte sich vom gewöhnlichen Streifenpolizisten durch alle Abteilungen hochgearbeitet. Er war stolz auf die Tatsache, dass er im Gespräch mit jedem seiner Beamten genau wusste, welche Anforderungen dessen Posten stellte. Das galt sogar für Fabel, denn Steinbach hatte früher die Mordkommission der Polizei Berlin geleitet.
»Geht es um mein Spesenkonto?«, fragte Fabel mit einem leisen, unsicheren Lachen.
»Bitte, nehmen Sie Platz, Herr Fabel«, sagte Steinbach mit einer Sanftheit, die Fabel noch nervöser machte. Er setzte sich, und sein Unbehagen wurde allmählich von Wut verdrängt.
Steinbach ließ sich lässig auf der Ecke seines Schreibtisches nieder, nahm eine Akte in
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