Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jan Tabak geht aufs Ganze

Jan Tabak geht aufs Ganze

Titel: Jan Tabak geht aufs Ganze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schrader
Vom Netzwerk:
überlassen hatte. So vergeht der Ruhm der Welt! Es ist ein Jammer.“
    „Ein großer Jammer!“ rief Jochen. „Gieß die Gläser voll, Jan, sonst wird mir das Herz schwer!“
     

Sich selbst besiegen
     
    Nach und nach gewöhnten sich die Mitglieder der Großfamilie aneinander und vertrugen sich recht gut. Die Praxis, so zeigte sich, war stärker als jede Theorie. Darum verlor Tinas „Pädagogik“ immer mehr an Bedeutung. Sie vergilbte allmählich und war eines Tages verschwunden. Keiner wußte, wer sie entfernt hatte. Das heißt, einer wußte es natürlich genau, aber der hängte es nicht an die große Glocke.
    Oma Jenny hatte durch ihren energischen Einsatz bei dem säumigen Dachdecker auch bei den Kindern an Ansehen gewonnen und nahm das befriedigt zur Kenntnis.
    „Die Alte ist gar nicht so übel“, sagte Tim. „Man muß sie nur richtig einsetzen, dann kann sie uns mit ihrem polterigen Wesen sogar recht nützlich sein.“
    In diesem Ton durfte er natürlich nur Nicole gegenüber von Oma Jenny sprechen und höchstens noch im Beisein von Jan Tabak, die beiden Damen hätten sich mehr Respekt und Höflichkeit erbeten. Besonders Jenny konnte sich mit seiner schnodderigen Redeweise nicht befreunden. Das zeigte sich wieder einmal, als Tim einen Aufsatz über ein „doofes“ Thema, so sagte er, schreiben mußte.
    „Sich selbst besiegen ist der schönste Sieg!“ rief er wütend.
    „Hat jemand von euch schon mal so einen Blödsinn gehört? Das ist doch der reinste physikalische Quatsch. Man kann doch nicht mit sich selbst um die Wette laufen und sich dann auch noch dabei besiegen! Der Mann ist vollkommen übergeschnappt!“ Oma Jenny stach ihn mit einem nadelspitzen Blick.
    „Sprich gefälligst nicht so ungehörig von deinem Lehrer, Tim!“ sagte sie streng. „Wenn ihr so einen Aufsatz zu machen habt, dann wird es auch möglich sein. Du bist nur mal wieder zu bequem zum Nachdenken.“
    „Du hast gut reden“, sagte Tim grimmig, „du brauchst den Unsinn ja nicht zu schreiben. Aber ich kann sehen, wie ich damit fertigwerde. Sich selbst besiegen! Blöder geht’s wirklich nicht. Wenn der Knabe wenigstens erklärt hätte, wie er sich das denkt! Aber nein, das ist bei dem nicht drin.“
    „Ich glaube, du verstehst nicht, wie das mit dem Besiegen gemeint ist“, mischte sich Tina ein. „Du sollst nicht schreiben, wie du mit dir um die Wette gelaufen bist, sondern wie du mit dir gerungen hast.“
    „Aber, Tante Tina“, rief Tim vorwurfsvoll, „mit mir selbst ringen kann ich doch noch viel weniger! Soll ich mich vielleicht mit einem Doppelnelson auf die Matte legen?“
    „Stell dich nicht so dumm an, Junge“, sagte Jenny wieder. „Du sollst nicht wirklich mit dir ringen, sonderlich innerlich. Überleg dir mal einen Fall, wo du die Wahl hattest, etwas Unangenehmes oder etwas Angenehmes zu tun, und dann das Unangenehme tatest.“
    „So einen Fall hat es bei mir noch nie gegeben“, antwortete Tim ärgerlich. „Sehe ich so verrückt aus, daß ich mich für das Schlechtere entscheide?“
    „Manchmal ist das Schlechtere aber das Bessere!“ rief Tante Tina. „Paß auf! Was ist besser, Hausaufgaben zu machen oder mit dem Boot zu fahren?“
    „Du stellst vielleicht Fragen! Das Bootfahren ist natürlich besser.“ Tante Tina nickte.
    „Für den Augenblick ist es besser, weil es bequemer ist“, sagte sie.
    „Aber auf die Dauer sind die Hausaufgaben besser, weil du dadurch mehr lernst. Das hat Oma Jenny gemeint.“
    „Hausaufgaben sind niemals gut“, sagte Tim, „und besser schon gar nicht. Mit solchen Beispielen müßt ihr mir nicht kommen.“
    „Und doch tun wir das!“ rief Oma Jenny heftig. „Wenn du dich nämlich für die Hausaufgaben entschieden hättest, wärest du Sieger über dich selbst geworden.“
    „Danke, da bin ich aber lieber der Verlierer“, sagte Tim.
    Nicole wollte ihrem Bruder auch helfen.
    „Ich weiß, wie er das schreiben müßte“, rief sie eifrig. „Paßt auf! Es war einmal ein Junge, und der hieß Tim.“
    „Haha!“ machte Tim. „Das ist aber originell!“
    Nicole fuhr fort: „Eines Tages hatte er sehr viel Kuchen gegessen, Windbeutel, Apfeltaschen, Sahnetorte, Bienenstich, Butterkuchen, Negerküsse, Schillerlocken, Schweineohren...“
    „Nein, wie witzig“, unterbrach Tim.
    „Laß mich doch ausreden!“ rief Nicole. „Da entdeckte er auf dem Teller noch eine dicke Scheibe Frankfurter Kranz. Sollte er die auch noch essen? Das würde bestimmt sehr schmerzhaft sein und

Weitere Kostenlose Bücher