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Jan Tabak geht aufs Ganze

Jan Tabak geht aufs Ganze

Titel: Jan Tabak geht aufs Ganze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schrader
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interessant ist. Wir müßten allerdings ein paar Kilometer mit dem Boot fahren.“
    „Machen wir“, rief Tim. „Du wirfst den Motor an, und ich steure.“ Der Freund hieß Albert Wandschneider und wohnte mitten im Moor auf einer winzigen Insel. Sein Haus war nur über einen schmalen Steg zu erreichen, den man von der Inselseite aus wie eine Zugbrücke hochklappen konnte. Da der Ringgraben, den Albert in mühsamer Arbeit um die Insel gezogen hatte, nicht mit den andern Gräben und Kanälen verbunden war, mußten die Besucher ihr Boot vorher verlassen und das letzte Stück zu Fuß gehen.
    Wie eine Wasserburg lag das Anwesen da, vor Angreifern geschützt durch den Graben, den Blicken Neugieriger verborgen durch eine hohe Hecke. Auf der Westseite allerdings fehlte sie, da stand ein Zaun aus festem Maschendraht.
    Jan Tabak hatte während der einstündigen Bootsfahrt nicht verraten, was sie erwartete. Die Kinder sollten sich selber ein Urteil bilden über den Mann, der hier in völliger Einsamkeit sein Leben zubrachte. Nun drückte er dreimal kurz, dreimal lang, dreimal kurz auf den Klingelknopf, der regensicher an einem kurzen Pfahl angebracht war. „Ist das nicht ein bestimmtes Funksignal?“ fragte Tim.
    Jan nickte und sagte: „Jawohl, das hieß SOS, Schiff in Seenot. Wir haben das so ausgemacht. Jetzt weiß Albert schon, daß ich da bin und nicht irgendein Unbekannter.“
    „Das finde ich aber komisch“, wunderte sich Nicole. „Ausgerechnet Schiff in Seenot! Dein Boot ist doch noch flott und seetüchtig.“
    „Natürlich“, sagte Jan lächelnd, „wäre ja auch schlimm, wenn es ein Leck hätte. Aber weißt du, Nicole, SOS bedeutet auch noch etwas anderes, ,Save our Souls’ nämlich, und das heißt, wenn man es wörtlich übersetzt, ,Rettet unsere Seelen!’. In einigen Minuten werdet ihr merken, daß das ein gutes Erkennungssignal ist, denn wenn ich zu Besuch komme, wird fast jedesmal eine Seele gerettet.“ Natürlich verstanden die Kinder nicht, was damit gemeint war. Darum warteten sie geduldig auf das Kommende.
    Nach wenigen Minuten hörten sie, daß sich jemand der kleinen Tür in der Hecke näherte. Ein Schlüssel wurde herumgedreht, ein Riegel zurückgeschoben, eine Kette abgehängt, und dann standen sie dem Bewohner der Insel gegenüber, einem blassen, mageren Mann, krumm und verwachsen wie ein knorriger Eichbaum.
    „Hallo, Jan“, rief er, „schön, daß du mich mal wieder besuchst. Guten Tag, Kinder. Wartet, ich lasse die Zugbrücke herunter.“
    Albert drehte an einer Kurbel, und langsam, wie eine Eisenbahnschranke, senkte sich die Brücke über den Graben.
    Als Nicole dem Einsiedler die Hand gab, sah sie, daß er ein graues und ein braunes Auge hatte, und sie bemerkte, daß er sich sehr freute. Er öffne.t8,-ihnen die Tür und gab den Weg frei. Dann kurbelte er die Brücke wieder hoch und verschloß die Tür.
    Jan ging ein paar Schritte, blieb aber bald stehen, um sich an den erstaunten Gesichtern der Kinder zu weiden. Die standen stumm und wußten nicht, wohin sie zuerst gucken sollten. Vor ihnen, über einen bunten Fliesenweg zu erreichen, erhob sich ein zierliches Haus, dessen Dach fast bis auf die Erde hinabging. Seine grünen, braunen, roten und gelben Ziegel waren zu einem zauberhaften Bild zusammengefügt, einem Schmetterling mit ausgebreiteten Flügeln. Der Schornstein trug eine goldene Krone, die kleinen Fenster waren farbig verglast. Das Fallrohr der leuchtendgelben Gosse endete in einem dickbauchigen roten Regenfaß, auf dessen Rand ein Zwerg saß und angelte. Dieser Zwerg war nicht allein, er hatte offensichtlich sein ganzes Volk mitgebracht. Überall auf den Wegen, den Rasenstücken, auf Sockeln, an künstlichen Flüssen, unter, vor und neben Pilzen standen, saßen, lagen und arbeiteten die kleinen Burschen. Und wie hatten sie sich eingerichtet in ihrer Welt! Um sie herum drehten sich Windmühlen und Wasserräder, trieben Sägewerke, Pumpstationen, Schmiedehämmer, Seilbahnen und Lifte. Wohin das Auge blickte, sah es nur Bewegung, Fließen, Emsigkeit und Fleiß. Helle Glocken läuteten ununterbrochen zum Kirchgang, eine Lokomotive dampfte und tutete unablässig, und aus einem Eisenwerk tönte immerzu ein eifriges Pinkepink.
    Ganz langsam gingen die Kinder hinter Jan Tabak und Lady her durch diese Zauberwelt. Sie sagten nichts, sie staunten stumm.
    Jan und Albert sahen die verklärten Gesichter der beiden und warteten. Endlich fragte Nicole: „Haben Sie das alles selbst

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