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Jan Tabak geht aufs Ganze

Jan Tabak geht aufs Ganze

Titel: Jan Tabak geht aufs Ganze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schrader
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Tirp ergänzte: „Wind bringt frische Luft und vertreibt die verbrauchte, darum ist er gesund.“ Frau Langewisch ging wieder ins Haus.
    „Wenn es euch zu ungemütlich werden sollte, könnt ihr ja ‘reinkommen“, rief sie noch zurück.
    Jochen prostete seinem Freund zu.
    „Weißt du noch, Jan“, sagte er, „wie wir den Wind verkauften und beinahe steinreich geworden wären?“
    „Und ob ich das weiß!“ rief Jan. „Mir ist, als ob es gestern gewesen wäre, dabei liegt es doch jetzt schon fünfundvierzig Jahre zurück.“
    „Sechsundvierzig“, berichtigte Jochen. „Dein Zeitgefühl muß mal in die Werkstatt.“
    „Hab dich nicht so!“ knurrte Jan. „Wenn ich auch kein gutes Gedächtnis für die Zeit habe, so sind mir doch unsere gemeinsamen Erlebnisse unauslöschlich in die Erinnerung gegraben.“ Und zu den Kindern gewandt: „Wir fuhren damals als blutjunge Matrosen mit der Friedenstaube 1 , einem alten Segler, immerzu zwischen Chile und Hamburg hin und her.“
    „Aber, Jan“, unterbrach Jochen, ‚mit der Friedenstaube’ holten wir Kakao aus Kamerun, nach Chile fuhren wir mit dem ,Seeadler’. Hast du denn vergessen, daß wir uns über den Namen lustig machten und das Schiff ,Teichente’ nannten, weil es so langsam war?“
    „Richtig, richtig“, bestätigte Jan, „aber der Name tut weiter nichts zur Sache. Von Bedeutung für uns war, daß wir während einer Reise sechsmal durch Gebiete fast völliger Windstille fahren mußten, durch die Roßbreiten und die Kalmen.“
    „Jawohl“, rief Jochen, „und das mit einem Segler! Ihr seid ja keine Wasserratten, Kinder, aber daß ein Segelschiff Wind braucht, wißt ihr auch. Wenn es so alt und plump ist, wie unsere ,Teichente 1 war, braucht es sogar viel Wind, sehr viel Wind! Wir hatten aber in sechs Zonen auf unserem Kurs nur sehr wenig Wind.“
    „Gar keinen, Jochen“, fiel Jan ihm ins Wort, „keinen Hauch! Spiegelglatte See, sengende Sonne, faulendes Trinkwasser und nicht die leichteste Brise! Das bringt den sanftmütigsten Seemann aus der Ruhe, kann ich euch sagen. An Bord gab es regelmäßig Keilereien, wenn wir drei Tage lang und länger in den elenden Roßbreiten wie angenagelt lagen und langsam ausdörrten.“
    „Aber“, war nun Jochen wieder an der Reihe, „derartig unerfreuliche und bedrohliche Situationen haben auch ihr Gutes. Sie setzen nämlich Gedanken frei, auf die man im normalen Alltag nie gekommen wäre. Als wir wieder einmal regungslos im Atlantik lagen und vor uns hin brüteten, hatte ich den Einfall…“
    „Du?“ rief Jan dazwischen. „Bist du sicher, daß nicht ich ihn hatte?“
    „Ganz sicher“, sagte Jochen, „darauf kannst du ein Haus bauen. Da hatte ich also den Einfall“, fuhr er fort, „den Wind da, wo er reichlich weht, gewissermaßen auf Fässer zu ziehen und mitzunehmen, um ihn dort, wo er nicht vorkommt, herauszulassen und nach Belieben zu nutzen.“
    „Aber“, erzählte Jan weiter, „so etwas geht natürlich nicht, das könnt ihr euch denken. Wie soll man Wind in ein Faß sperren! Darum sagte ich Jochen gleich, als er mit seiner im Prinzip gar nicht mal so dummen Idee zu mir kam, er solle nicht weiter darüber nachdenken, ich hätte schon was Besseres gefunden. Nicht das Faß, sondern der Ballon war die Lösung, ein einfacher, schlichter Luftballon, wie man ihn auf jedem Jahrmarkt kaufen kann, nur ein bißchen größer natürlich.“ Jan klopfte seinem Erzählpartner auf die Schulter.
    „Ehrlich, Jochen“, sagte er, „du hast dich ein bißchen geärgert damals, als ich mich als der Klügere erwies.“
    „Aber, Jan“, widersprach Jochen heftig, „wie kannst du das annehmen! Ob Faß oder Ballon, was machte das schon für einen Unterschied. Wichtig war der erste Anstoß in dieser Richtung. Und der kam von mir! Du brauchtest den einmal eingeschlagenen Weg meiner kühnen Gedanken nur weiterzulaufen und mußtest unfehlbar ans
    Ziel gelangen. Dazu war wirklich keine Verstandeskraft mehr nötig.“
    „Das sagst du jetzt“, knurrte Jan, „aber seinerzeit konntest du dir nicht vorstellen, wie und woher man zerreißfeste Gummiballons bekam, die kirchturmgroß waren und Wind genug faßten für eine hundert Meilen lange Fahrt.“
    Jochen winkte ab.
    „Alles nicht wichtig!“ rief er. „Jedenfalls hatten wir sie eines Tages und konnten unsere Versuche beginnen. Euch ist doch bekannt“, erklärte er den Kindern, „daß ein aufgeblasener Luftballon, den man nicht zubindet, sofort davonsaust, wenn man

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