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Jan Tabak geht aufs Ganze

Jan Tabak geht aufs Ganze

Titel: Jan Tabak geht aufs Ganze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schrader
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ihn aus der Hand läßt. Das ist das Prinzip des Rückstoßes, das auch in den heutigen Düsenflugzeugen zur Wirkung kommt. Nun, wir spannten also einen riesigen Ballon zwischen die Masten eines Vollschiffes...“
    „Unseres Vollschiffes!“ funkte Jan dazwischen. „Vergiß nicht, daß es mir gelungen war, eins für unsere Versuche zu chartern! Zwischen seine Masten hängten wir den Ballon, legten das Schiff im Nordost-Passat vor Anker, vor zwei Anker! und leiteten den dort ungeheuer stark wehenden Wind mit Hilfe eines gewaltigen Segeltuchtrichters in den Ballon. Der blähte sich rasch auf und wurde prall, war jedoch so haltbar, daß er nicht platzte, obwohl immer mehr Luft hineindrängte und mit aller Macht irgendwo wieder zu entweichen versuchte.“
    „So war es“, fuhr Jochen fort, „und nachdem wir den Wind zehn Stunden hatten blasen lassen, stieg ich auf den Mast und band den Ballon zu. Das war keine leichte Arbeit, wir mußten die große Winde zu Hilfe nehmen. Dann hievten wir die Anker und setzten die Segel, die bis dahin natürlich gerefft gewesen waren. Sofort nahm unser Schiff Fahrt auf. Und was für Fahrt! Die Passatwinde verleihen jedem Segler einen erstklassigen Schub. Über unsern Köpfen hing der Ballon und zerrte an seiner Verspannung. Aber frei kam er nicht. Vierzehn Tage später erreichten wir die Kalmen, und dann war der Augenblick da, dem wir seit Wochen bange entgegengezittert hatten. Würde unsere Rechnung aufgehen? Würden wir den mitgebrachten Wind tatsächlich als Antriebskraft nutzen können? Das waren quälende Fragen. Wir waren aufgeregt wie Schulkinder, wenn es Zeugnisse gibt. Aber das legte sich sofort, als wir den Verschluß des Ballons öffneten und den Wind freigaben. Der Rückstoß setzte ein, und wir durchquerten mit eigenem Wind bei gerefften Segeln die Kalmen. Welch grandioser Erfolg!
    Jetzt waren wir gemachte Leute!“
    „Aber“, bremste Jan Jochens Begeisterung, „erinnere dich, wir hatten uns zu früh gefreut.“
    „Zu früh?“ fragte Jochen erstaunt.
    „Jawohl, zu früh! Schon nach wenigen Meilen erwies sich, daß die Erfindung noch nicht ausgereift war. Der Ballon wurde schlaff, bevor wir ein Drittel des Kalmengürtels durchfahren hatten. Die Reibung des hölzernen Schiffes auf dem Wasser war einfach zu groß. Sie herabzusetzen oder sogar ganz aufzuheben war jetzt unser Problem. Und das löste ich! Nach wochenlangem Nachdenken!“
    „Entschuldige“, warf Jochen ein, „wenn ich nicht irre...“
    „Du irrst!“ triumphierte Jan. „Meiner Vorstellungskraft allein verdankten wir das erste Luftkissenschiff der Welt.“
    Jochen staunte, und Jan verkündete: „Ich hatte den unvergleichlichen Einfall, einen zweiten Ballon an den Mast zu hängen, mit Passatwinden zu füllen, seinen Schub aber nach unten wirken zu lassen. Dadurch wurde das Schiff aus dem Wasser gehoben und konnte nun mit der Schubkraft des zum Heck hin gerichteten anderen Ballons gänzlich ohne Reibung die windstillen Kalmen überqueren. Ja, das gelang so vollkommen, daß in beiden Ballons noch eine Menge Luft übrigblieb, die wir uns in Notzeiten dienstbar machen konnten.“ Jan machte eine Pause. Das mußte erst wirken.
    Jochen aber schüttete sofort einige Tropfen Bitterkeit in seinen süßen Wein.
    „Leider, leider“, sagte er mit trauriger Stimme, „kamen wir mit unserer Erfindung um dreißig Jahre zu spät. Als wir sie in Rio patentieren lassen wollten, um sie dann an den Meistbietenden zu verkaufen, mußten wir uns auf dem Patentamt sagen lassen, daß das Zeitalter der Segelschiffe vorbei sei. Mittlerweile, so belehrte uns der schlitzohrige Beamte grinsend, seien auch andere Erfinder am Werk gewesen und hätten die Schiffsmotoren erfunden. Ob uns das noch nicht aufgefallen sei?“    ,
    „Gott sei’s geklagt, so war es“, bestätigte Jan zähneknirschend. „Die stinkenden Dampfer nahmen uns gewissermaßen den Wind aus den Segeln.“
    „Aus dem Ballon!“ rief Jochen.
    „Du sagst es“, knurrte Jan. „Und dabei hatte ich schon eine große Firma an der Hand, die mir für zwei Millionen Mark meine Erfindung abkaufen wollte.“
    „Du meinst unsere Erfindung, Jan. Bleib bitte sachlich!“ mahnte Jochen.
    „Natürlich“, gab Jan zu, „unsere Erfindung, unser gemeinsamer Reinfall. Heute steht das Schiff in Antofagasta im Schiffahrtsmuseum. Und wenn Besucher staunend davorstehen, wird ihnen nicht unser Name genannt, sondern der des Reeders, der es uns seinerzeit zu Forschungszwecken

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