Jan Tabak geht aufs Ganze
gebaut?“
„Ja, mein Deern, natürlich“, antwortete Albert. Sonst nichts. Tim, mit mehr Verständnis für das Technische, betrachtete die vielen Stationen und Abteilungen eingehend. Dann wandte er sich dem Ganzen zu.
,.Jetzt weiß ich auch, warum an der Seite dahinten keine Hecke ist“, rief er plötzlich. „Das ist die Windseite, nicht?“
Albert lächelte.
„Du hast recht, mein Junge. Wenn die Mühlen meiner Freunde sich drehen sollen, brauchen sie natürlich Wind. Eine Hecke würde ihn abhalten. Aber kommt doch auf die Terrasse, wir wollen uns hinsetzen.“
Die Terrasse lief halb um das Haus herum. Sie war mit bunten Steinen zu einem Märchenbild ausgelegt und ging sanft abfallend in den Rasen über. Eine Birkenbank und drei feststehende Pilze boten mehreren Personen Platz.
Die Gäste setzten sich, und Albert ging ins Haus, um etwas zu trinken herauszuholen. Lady breitete sich auf den Fliesen aus. Jan stellte die mitgebrachte Rumflasche auf den glattabgesägten Baumstumpf, der als Tisch diente.
„Du hast aber merkwürdige Freunde, Onkel Jan“, sagte Nicole. „Wenn er das alles selbst gebaut hat, durfte er sich ja keinen Tag ausruhen. Was steckt da für Arbeit drin!“
Jan nickte.
„Du hast recht“, sagte er, „sehr viel Arbeit, Nicole, aber noch mehr Freude. Euch ist doch aufgefallen, daß Albert nicht so gerade gewachsen ist wie wir, nicht wahr? Solche Menschen sind arm dran. Er hat den Spott und die Verachtung seiner Mitmenschen oft genug zu spüren bekommen und sehr darunter gelitten. Darum hat er sich schon vor vielen Jahren das Grundstück hier gekauft und an den freien Wochenenden angefangen, es zu bebauen. Seitdem er Rentner ist, wohnt er ganz hier.“
„Und seine Frau?“ fragte Tim.
„Albert war nie verheiratet. Ihn mochte wohl keine. Damit er das Alleinsein nicht so spürt, hat er sich mit Zwergen umgeben. Die sind seine Freunde. Sie sind alle klein und knorrig wie er selbst und immer guter Laune. Seht euch um: jeder ist fröhlich, auch wenn er eine schwere Karre schieben oder den Acker pflügen muß. Natürlich können sie einen lebenden Menschen nicht ersetzen, sie können ja nicht sprechen. Ich besuche Albert deshalb oft, damit er nicht ganz wunderlich wird. Das wird der Mensch nämlich, wenn er allein lebt. Paßt nur auf, ihr werdet bald merken, was mit meinem Freund los ist. Aber still jetzt, ich glaube, er kommt wieder!“
Der kleine Mann hatte Tee gekocht und trug nun die Kanne, Tassen und Gebäck heraus.
„Was sagst du zum Wetter, Jan?“ begann er, nachdem er allen eingeschenkt hatte. „Ist das nicht ein prächtiger Wind? Meine Leute sind ganz ausgelassen vor Freude, daß sie endlich wieder arbeiten können. In der windstillen Hitze der letzten Wochen ist vieles liegengeblieben, weißt du. Na, und wenn die Arbeit sich häuft, ist keiner glücklich, das kennst du ja. Max, der Müller, hat in seiner Verzweiflung versucht, die schweren Mühlsteine mit der Hand zu drehen. Dabei hat er sich ganz empfindlich den Daumen gequetscht. Sieh doch, ich mußte ihm einen Verband herumwickeln. Aber jetzt hat er seinen Schmerz bestimmt vergessen. Fünfzig Sack Mehl hat er heute schon gemahlen! Wenn das keine Leistung ist! Guckt doch, wie Willi, der lange Fuhrunternehmer, sich abplagt, das Mehl noch vor Einbruch der Dunkelheit fortzuschaffen. Er hat nämlich kein Licht am Wagen, wißt ihr, hatte einen Unfall, keinen schweren, aber einen ärgerlichen. Beide Scheinwerfer gingen drauf. Jetzt muß er in die Werkstatt mit dem Wagen. Angemeldet hat er sich schon. Im Augenblick ist jedoch kein Drankommen, Sommergeschäft, ihr versteht. Die Leute jagen wie die Narren und fahren einen Wagen nach dem andern zu Bruch. Und Männer wie er, die doch wirklich eine wichtige Aufgabe erfüllen, müssen sich behelfen. Na ja, er hofft, daß er nächste Woche an der Reihe ist. Bei der Gelegenheit will er sich gleich die Stoßdämpfer erneuern lassen, die schlechten Landstraßen haben sie ruiniert. Aber eßt und trinkt doch, Kinder, gießt euch selber nach, wenn ihr mögt.“
Tim und Nicole hatten so aufmerksam zugehört, daß sie gar nicht recht zum Essen gekommen waren. Der Mann sprach ja von seinen Zwergen, als ob es richtige Menschen wären!
Albert legte jedem eine Handvoll Gebäck auf den Teller und füllte die Tassen nach. Er selbst und Jan tranken ihren Tee mit sehr viel Rum.
Die Sonne war unbemerkt untergegangen. Allmählich senkte sich die Dämmerung herab. In den Fabriken, den Mühlen und
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