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Jan Tabak geht aufs Ganze

Jan Tabak geht aufs Ganze

Titel: Jan Tabak geht aufs Ganze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schrader
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nur, dachte er weiter, woher ich einen Schlitten und ein Pferd bekomme. Vor zwanzig Jahren noch fuhr jeder Bauer im Winter mit dem Schlitten in die Kirche und hatte auch ein paar Pferde im Stall, aber heutzutage war selbst der ärmste motorisiert. Die Zeit war schneller geworden, auch hier in Niederblockland. Die Pferde hatte man abgeschafft und die Schlitten verbrannt oder verkommen lassen. Aber hatte er den Lehrer von Wasserhorst nicht noch vor zwei Jahren mit einem Schlitten auf dem Deich getroffen? Den sollte er mal fragen.
    Schon am nächsten Nachmittag konnte Jan sich unbemerkt aus dem Haus entfernen. Keiner beachtete ihn, nur Lady tapste schwergewichtig neben ihm her. Er hätte sie am liebsten zurückgelassen, aber der Hunderiese war heute allen im Weg, und Jan merkte, daß er Liebe und Zuspruch brauchte.
    „Hat wohl keiner Zeit für dich, was?“ sagte er und tätschelte dem Bernhardiner den Hals. „Recht so, daß du zu mir kommst. Nur mußt du mir versprechen, keine Dummheiten zu machen, hörst du? Und vor allen Dingen darfst du niemandem verraten, was wir in Wasserhorst tun. Ehrenwort?“
    Lady rieb ihren dicken Kopf an Jans Beinen und drängte ihn mit ihrem gewaltigen Leib bis an den Rand des Deiches. Das war mehr als ein Versprechen, das war ein Schwur. So marschierten sie in dem beglückenden Gefühl gegenseitiger Zuneigung an Dammsiel vorbei und über die Ritterhuder Heerstraße bis nach Wasserhorst.
    Herr Köhler, der Lehrer, war zu Hause. Er sah die Klassenaufsätze seiner Schüler durch, während seine Frau an einem Hörspiel für den Schulfunk schrieb. Durch Lady und Jan ließen sich beide gern für eine Weile in ihrer Arbeit unterbrechen. Jan erfuhr, daß sie ihren Schlitten tatsächlich noch besaßen und ihn gern für die geplante Fahrt verleihen würden.
    „Haben Sie denn ein Pferd?“ fragte Herr Köhler. „Damit können wir nämlich nicht dienen, unsers wurde vor zwei Jahren verkauft.“
    „Ich denke doch, daß ich irgendwo eins auftreiben kann“, antwortete Jan. „Einige gibt es ja noch in der Gegend.“
    „Fragen Sie mal bei Harbers nach!“ riet Frau Köhler. „Die haben noch zwei Pferde, einen Haflinger und ein Pony. Vielleicht können Sie sich da eins ausborgen.“
    „Harbers?“ fragte Jan. „Ist das nicht der Küster?“
    „Sein Bruder“, sagte Herr Köhler. „Am besten gehe ich mit ihnen hinüber, wir kennen uns seit Jahren.“
    Jan hatte auch hier Glück. Herr Harbers stellte ihm seine beiden Pferde vor und wollte ihm wohl eins für die Fahrt überlassen.
    „Ich rate Ihnen, das Pony zu nehmen“, sagte er. „Das ist zwar ungebärdiger und hat auch mal Launen, aber es ist hübscher und macht sich besser vor einem Schlitten. Ein Mann vom Lande wie Sie kann bestimmt mit ihm fertigwerden.“
    „Das sollte wohl nicht allzu schwer sein“, sagte Jan und tätschelte dem Tier den Hals. „Ich habe zwar nie selbst ein Pferd besessen, aber ,Hiih!’ und ,Brrr!’ kann ich sagen.“
    Er erzählte Herrn Harbers und Herrn Köhler nun, daß er seine Familie mit der Fahrt überraschen wolle und daß es am schönsten wäre, wenn der Schlitten am Heiligen Abend plötzlich vor der Tür stünde. „Das läßt sich einrichten“, sagte der Lehrer. „Ich spanne hier an und bringe Ihnen den Schlitten. Auf diese Weise kommen auch meine Frau und meine Tochter zu einem besonderen Erlebnis.
    Am Schlitten hängt eine Glocke. Wenn Sie die hören, wissen Sie, daß er da ist. Wir laufen dann zu Fuß zurück.“
    Jan bedankte sich und bat Herrn Köhler, den Schlitten schon gegen 14 Uhr zu bringen, da er, um die Fahrt auszudehnen, nicht nach Wasserhorst, sondern zur Kirche von St. Jürgen fahren wolle.
    Dann machte er sich mit Lady auf den Heimweg.
    Natürlich gönnte er sich auf den Erfolg bei Johann Garbade noch ein Glas Bier.
    Als er am späten Abend nach Hause schwankte, von Lady hilfreich gestützt, die zwar auch müde, aber vollkommen nüchtern war, übte er das Kutschieren.
    „Hüh!“ rief er und schnalzte mit der Zunge. „Lauf, Brauner, lauf!“ Dabei fiel ihm ein, daß er sich gar nicht nach dem Namen des Pferdes erkundigt hatte.
    „Das müssen wir noch nachholen, Lady“, lallte er. „Man muß ein Pferd doch mit seinem richtigen Namen anreden. So ein Vieh hat schließlich auch eine Seele. Und wenn ich ,Hüh, Brauner! 1 und
    ,Brrr, Dicker! 1 sage, könnte ich es beleidigen. Warum hast du mich denn nicht daran erinnert?“
    Lady antwortete nichts, sie gähnte müde und trottete

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