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Jan Weiler Antonio im Wunderland

Jan Weiler Antonio im Wunderland

Titel: Jan Weiler Antonio im Wunderland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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die sechzig beschrieben mit dicken Augenbrauen wie Bert aus der Sesamstraße und einer Pilotenbrille. Sie fügte noch hinzu, dass ihre Mutter ihr von einer neuen Marotte Bennos erzählt habe. Er müsse nun seit einiger Zeit ständig auf die Toilette und hinterließe dabei immer Klopapier in der Schüssel. Sara nannte diese eingeweich-ten Papierfahnen prosaisch «Klogespenster». Wenn man also wissen wolle, ob Benno Tiggelkamp da war, müsse man nur nachschauen, ob Klogespenster auf der Toilette seien.
    «Sind Sie Benno?», frage ich die geschlossene Klotür. Ich bin natürlich neugierig und würde mich gerne mit ihm unterhalten. Ich finde ihn interessant. «Hallo?»
    Er antwortet nicht. Ich klopfe vorsichtig, gehe aber dann einen Schritt zurück, denn ich höre die Klospülung.
    Die Tür öffnet sich. «Hä?»
    Ich gebe ihm meine Hand, dabei wird mir schlagartig bewusst, dass ich zwar eine Klospülung, nicht aber den Wasser-hahn gehört habe. Zu spät. Benno sieht mich an. Dabei zieht er die Nase ein wenig hoch und entblößt so seine riesigen Schneidezähne.
    «Gu'n Tach», sagt er und schüttelt endlos lange meine Hand.
    «Tiggelkamp der Name.»
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    Ich stelle mich ihm vor und sage; «Ich bin der Mann von Sara. Wir haben uns ja bisher nie getroffen.»
    «Man kann nich' allet ham im Leben, wat will'se machen», sagt er ohne großes Interesse und geht ins Wohnzimmer.
    «Antonio schläft», sage ich. Ich weiß ja nicht, ob es dem Hausherrn recht ist, wenn er unangemeldeten Besuch während seines Sonntagmittagsschläfchens bekommt.
    «Da schläft immer», antwortet Benno knapp und lässt sich auf ein Sofa fallen, um das Autorennen anzusehen. Ich setze mich ihm gegenüber. Benno sucht in der kleinen Stein-gutschale auf dem Couchtisch nach Essbarem und findet ein Mon Chéri, das er langsam entkleidet und sich in den Mund schiebt. Dann lehnt er sich zurück und sieht in den Fernseher.
    Ich mache dasselbe, wir schweigen. Von Zeit zu Zeit beugt sich Benno vor, um in der Schale zu wühlen. Die Mon-Cheri-Papierchen streicht er glatt und stapelt sie auf dem Tisch. Wenn er so weitermacht, ist er gleich betrunken, oder es wachsen ihm Kirschen aus den Ohren. Antonio schnarcht.
    Ferrari gewinnt das Rennen. Ich versuche es noch einmal mit ein bisschen Konversation. «Toll», sage ich. «Gewonnen.»
    «Jaja, et kütt, wie't kütt.» 1
    «Interessieren Sie sich für Motorsport?»
    «Ja, sischer. Isch mein: nein.»
    Ja was denn nun? Interessiert der sich nun oder nicht?
    «Also ich würde ja gerne mal in so einem Ding mitfahren.»
    «Dat Leben is' kein Wunschkonzert.»
    Benno hat keine Lust auf ein Männergespräch. Er hat aber 1 Das heißt übersetzt: «Es kommt, wie es kommt» und gehört zu den wichtigsten Wendungen im Rheinischen. Man kann das eigentlich immer sagen. Machen auch viele.
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    auch auf Fernsehen keine Lust mehr und beginnt nun, das Rätselheft durchzublättern.
    «Unternehmen Sie manchmal was?» Ich gebe nicht auf.
    «Kegeln», gurgelt er. «Wir geh'n heut' kegeln.»
    «Ach, wie nett. Das ist ein schöner und viel zu wenig ge-würdigter Sport. Die meisten Leute spielen ja heutzutage Bowling, aber das ist was für Kinder. Wer es ernst meint, der kegelt.» Keine Ahnung, wo ich diese tiefen Einsichten her habe, aber sie tun ihre Wirkung. Zum ersten Mal scheine ich einen Nerv in Benno getroffen zu haben. Er lässt die Zeitung sinken.
    «Antonio hat gesagt, wir jehen alle jemeinsam zum Kegeln.»
    «Ach. Hat er?»
    «Ja, mit unserem Kegelverein.»
    Ich wusste noch gar nicht, dass Antonio und Ursula im Kegelverein sind, das ist mir wahrhaft neu. Benno hebt die Plastiktüte hoch, die er mitgebracht hat, und holt zur Veranschau-lichung seiner Worte ein paar antike Sportschuhe hervor, für die junge Menschen in Berlin-Mitte ein Monatsgehalt zahlen würden. Seine Kegelschuhe.
    Die Tür geht auf, und meine Frau kommt rein.
    «Jetzt guck mal an, wer da ist», rufe ich. «Der Benno!»
    «Hi, Benno», sagt meine Frau und hebt die Hand zum Gruß.
    Benno grüßt zurück und sieht Sara an.
    «Warst du beim Friseur jewesen?»
    «Benno, wir haben uns sechs Jahre nicht gesehen, inzwischen war ich ganz bestimmt mal beim Friseur.»
    «Jaa, sois' dat.»
    «Und? Was macht deine Mutter? Alles gut zu Hause?», fragt Sara, und Benno, der sich gerade das elfte Mon Chéri rein-gepfiffen hat, antwortet mit vollem Mund: « Ja, jut. An sich 37
    schlescht, nicht wahr. Die Mutter stirbt so vor sisch hin, wat will'se machen, kannsse nix

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