Jan Weiler Antonio im Wunderland
machen.»
Sara ignoriert diese alarmierende Auskunft, aber sie ist begeistert von der Kegelidee. Am frühen Abend werden wir in Kegelmontur das Haus verlassen und zunächst fein essen gehen, um danach ein Kegelvergnügen zu erleben, wie man es nur selten hat. In meinem Fall sogar sehr selten, genau genommen habe ich in meinem Leben nur ein einziges Mal gekegelt und dies auch nur ganz kurz, auf einer Klassenfahrt.
Zum Abschluss einer langweiligen Reise in die Eifel gingen wir auf Vorschlag unseres Deutschlehrers zum Kegeln. Er de-chiffrierte in der Verrichtung des Kegeins Motive aus der deutschen Romantik. Ich fand es eher biedermeierlich, aber egal.
Jedenfalls griff mein Deutschlehrer in die Kegelstellmaschine der Kegelbahn ein, worauf die Kegelstellmaschine der Kegelbahn in meinen Deutschlehrer eingriff und ihm beinahe den rechten Arm amputierte. Wer jemals einen Deutschlehrer mit fast appem Arm auf einer Kegelbahn hat herumtoben sehen, dem vergeht die Lust am Kegeln, also ließ ich diesen romanti-schen Sport hinter mir.
Meine Schwiegereltern gehen alle zwei Wochen kegeln.
Sie treffen sich dazu mit zwei weiteren Ehepaaren, die sie aber nicht Freunde nennen, sondern Kameraden. Außerdem kommt Benno mit, ist ja klar. Nie ist Antonio deutscher als beim Kegeln, früher war er sogar Schriftführer, wurde aber wegen dreisten Mogelns und ihn begünstigender Regelaus-legung irgendwann durch Herrn Wittek ersetzt, welcher als Kranführer schon beruflich zu Genauigkeit verpflichtet ist.
Frau Wittek hat eine Frisur wie die Jacob Sisters und raucht Ernte 23, eine Marke, von der ich nicht wusste, dass es sie überhaupt noch gibt. Außerdem erscheint das Ehepaar Köppen, 38
bei denen sich Antonio und Ursula seit über dreißig Jahren die Haare schneiden lassen. Wie ich erfahre, geht auch Frau Wittek in den Salon der Köppens, die ganze Gemeinschaft ist also eine Frisuren-Clique.
In der Gaststätte Fuchsbau bestellen wir Schnitzel und Bier.
Wir erhalten zum Essen standesgemäß so genannten Eimersalat. Ich liebe diesen Salat, es gibt ihn auch auf den meisten deutschen Rasthöfen und überall sonst, wo die deutsche Küche noch nicht in der Hand ayurvedischer Küchenclowns ist. In einem tiefen Glastellerchen werden eiskalte Gemüse-fragmente angerichtet, die sämtlich aus weißen Eimern vom Großmarkt stammen. Immer dabei: geraspelte Möhren und grüne Bohnen in essigsaurem Dressing. Dann wird je nach Region majonäsiger Kartoffelsalat dazugebatzt, manchmal gallertartige Selleriescheiben und Rote Bete, sowie Krautsalat.
Bedeckt wird diese nationale Schande von einigen Blättern Kopfsalat, denen vorher in einem Sahnedressing die Vitamine entzogen wurden. Diese Kombination hat einen Nährwert wie ein Bierdeckel. Super, wirklich, ich sage nochmal: Ich liebe Eimersalat.
Dann geht es nach unten, auf die Bundeskegelbahn. Hier riecht es wie in einem Männerwohnheim, das Licht wird angeschaltet, und wir setzen uns an einen langen düsteren Tisch. Wir bestellen über eine Edgar-Wallace-Film-Gegen-sprechanlage Bier und eine Runde Kleiner Feigling. Dieses Ge-tränk gehört zum Kegeln wie der Eimersalat zum Schnitzel.
Wer die Kugel in die Rinne neben der Bahn wirft, muss eine Runde Kleiner Feigling ausgeben. Bei Frau Wittek habe ich schnell den Eindruck, dass sie nur deswegen mitgekommen ist. Die kleinen Schnapsfläschchen werden rhythmisch mit dem Boden auf den Tisch geklopft und, wenn sich das Ge-klopfe zur Raserei gesteigert hat, der Inhalt hastig und ohne 39
zusätzliche Hirntätigkeit hinuntergestürzt. Und dies von Er-wachsenen, wie man an dieser Stelle betonen muss. Nicht nur die Darreichungsform, auch der Geschmack dieser Spiri-tuose gibt einem zu denken. Kleiner Feigling schmeckt, als sei sein Rezept von alkoholkranken Vorschulkindern ersonnen worden.
Das Beste am Kegeln ist das Geräusch, wenn die Kegel um-fallen. Dieses Geklapper und Gerappel verschafft einem die größte Genugtuung. Es stellt sich schnell heraus, dass ich ein Kegeltalent bin, mehr noch: ein Abräumer erster Klasse. Ich verblüffe damit insbesondere die Damen und muss mich Frau Witteks Versuchen erwehren, auf meinem Schoß Platz zu nehmen.
Meine Frau wirft beidarmig, was Herrn Koppen dazu veranlasst, ihr bei jedem Wurf Hilfestellung zu geben. Herr Koppen riecht, als würde er Haarfestiger trinken. Antonio putzte die alle ab, wie er findet, und Ursula nippt brav an ihrem Altbier.
Sara und ich freuen uns laut, wenn etwas gelingt, und Benno applaudiert
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